Kunsthaus

Studio Mondial: Ein Kuckucksei am Ku’damm

Als Kuckucksei hat sich das Studio Mondial in einem ehemaligen Vier-Sterne-Hotel am Kurfürstendamm eingenistet. Das Kunsthaus zeigt eine Ausstellung mit Installationen und künstlerischen Experimenten – und will damit die kulturelle Identität des Ku’damms neu diskutieren. Tatsächlich streckt es dem Prunkboulevard sogar die Zunge raus. Wir haben das Mondial besucht.

Die Installation „Tongue Twister“ von Dafna Maimon ist der Eingang zum Studio Mondial. Foto: Eric Tschernow

Das Studio Mondial streckt dem Boulevard die Zunge raus

Früher begrüßte ein roter Teppich die Gäste des Hotel Mondials, nun streckt dort eine Installation der Künstlerin Dafna Maimon den Passant:innen des Prachtboulevards die Zunge raus. Sie ist zugleich auch die Eingangstür zum imaginären Kunsthaus Studio Mondial, initiiert von den umtriebigen Kulturschaffenden Lutz Henke und Vlado Velkov. Velkov beschreibt das Projekt als „Kuckucksei am Ku’damm“, es soll die „Uniformität der Straße aufbrechen“, so Henke.

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Wie die einst legendären Kunsthäuser Berlins der 90er Jahre versucht das Studio ohne Institutionellen Hintergrund oder kommerzielles Interesse einen Ort für Diskussionen, Reflektionen und Begegnungen anzubieten. Um das zu ermöglichen, sind viele der ausgestellten Arbeiten erlebbar und plastisch: Etwa die weißen Plastik-Schaukelstühle des Künstlers Julian Breuer. An sonnigen Tagen könnt ihr euch darauf vor das einstige Hotel, auf die „Front Porch“ setzen und das bunten Treiben auf dem Ku’damm beobachten.

Die Skulptur „Peak“ von Philipp Eyrich verweist auf fehlende Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum und ist inspiriert vom Börsenkurs eines großen deutschen Unternehmens. Welches das wohl ist? Foto: Studio Mondial

Zwischen Nobelboutiquen eine Hommage an die Projekträume der 90er Jahre

Viele Installationen, wie die Zunge von Dafna Maimon, die Schaukelstühle von Julian Breuer oder die Skulptur „Peak“ von Philipp Eyrich finden vor dem Hotel, sprich auf dem Ku’damm statt. Lutz Henke erzählt, dass sich die Besucher:innen über die Abwechslung freuen. Zwischen den Nobelboutiquen der Umgebung fühlen sie sich im Studio Mondial an die kreativen Projekträume der 90er-Jahre erinnert, so der Co-Initiator und Co-Kurator. Die Möglichkeit zur Nutzung der Räume des Hotel Mondials gab es kurzfristig – erst im Sommer 2022 wurde das Gasthaus nach 40 Jahren Betrieb geschlossen.

Schnell entstand ein Programm aus Installationen und schon Anfang Juni 2023 wurde das Kunsthaus mit Werken von Reto Pulfer eröffnet. Pulfer hat – angelehnt an die Fashionkultur des Kurfürstendamms – mit Stoffen und Tüchern hüllenartige Formen in den Räumen der ehemaligen Lobby und des Restaurants installiert. „Viele Werke sind für die Ausstellung entstanden und beziehen sich auf die Geschichte und Stimmung des Boulevards. Jede Woche kommt eine künstlerische Arbeit dazu, die ein neues Thema anspricht“, sagt Velkov. Das letzte Werk der aktuellen Projektreihe wird eine postume Performance der Künstlerin Inge Mahn am 9. September sein. Der nächste Programmpunkt folgt kurz darauf: am 16./17. September findet das Gallery Weekend Berlin mit mehr als 50 Künstler:innen in den Räumen des ehemaligen Hotels statt.

Reto Pulfers „Simulat“ 2023 aus Nachthemden, Unterwäsche und Lingerie in der ehemaligen Lobby des Hotels. Foto: Studio Mondial

Am 16. und 17. September findet das Gallery Weekend im Studio Mondial statt

Bei der aktuellen Ausstellung im Studio Mondial ist die hervorragende Interaktion zwischen Kunst und Raum hervorzuheben: In den Glasvitrinen des Eingangsbereiches lagen früher Schmuck und andere Luxuswaren, nun sind dort Pflaumenkerne, Samen und Nüsse ausgestellt (ebenfalls eine Installation von Reto Pulfer). In der Einfahrt zum Hinterhof hängt das wandgroße Stoffgemälde „Found in Forrest“ von Arijit Bhattacharyya, ein in Westbengalen geborener Künstler. Durch die Hängung in der Einfahrt des ehemaligen Hotelgebäudes außerhalb des „eigentlichen“ Ausstellungsraumes, wirkt es, als könntet ihr hinter die Fassade des Ku’damms schauen. Das Gemälde zeigt eine dystopische westbengalische Landschaft. Westbengalen, vor allem die Hauptstadt Kalkutta, ist ein wichtiges Zentrum der Textilindustrie und massiv durch Überschwemmungen bedroht. Und auch mit den (Schau-)Fensterflächen wird gespielt: So hängt im Restaurantsaal ein Kronleuchter aus Glas und Messing des kürzlich verstorbenen amerikanischen Künstlers Jimmie Durham, der an einen Haken mit Köder erinnert. Hier wird das „Angeln“ der Kund:innen beim Wort genommen.

„Mit der Ausstellung möchten wir eine Diskussion über die kulturelle Neuausrichtung des Boulevards anstoßen. Wie kann man ihn nachhaltig umgestalten und dabei seinen Flair unabhängig von Moden und Marken bewahren?“, so Velkov über die Kernbotschaften der Ausstellung im Studio Mondial.

Ein Symbol der Spießigkeit. Der acht Meter hohe Gartenzwerg mit Holzzaun vom Künstlerduo Albrecht/Wilke vor dem Studio Mondial. Foto: Studio Mondial

Ein acht Meter großer Gartenzwerg mit Toast Hawaii

Zusätzlich zu den plastischen Ausstellungsstücken finden im Studio Mondial auch Performances statt, wie von „FRZNTE“ am 31. August. Die Tänzerin und DJ präsentierte eine feministische Version des Pole Dance, der einen Kontrast zu über den Ku’damm rasenden Lamborghinis mit brummenden Motoren und männlichen Fahrern bilden soll. Bei Aktionen wie dieser kann auch ein weiteres Highlight des Kunsthauses bestaunt werden: Der acht Meter hohe Gartenzwerg mit Toast Hawaii in der Hand, geschaffen vom Künstlerduo Albrecht/Wilke.

Zum Abschluss die Worte des Co-Initiators Lutz Henke: „Berlin braucht Orte der Inspiration. Davon profitiert nicht nur die Kultur, sondern die ganze Stadt.“ Das Studio Mondial könnte genau einer dieser Orte sein.

  • Studio Mondial Kurfürstendamm 47, Charlottenburg, Mi-Sa 12-18 Uhr, kostenlos, online

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