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Berühmte Berliner Schriftsteller – und wo sie lebten

Berühmte Berliner Schriftsteller haben nicht nur in der Literaturwelt Spuren hinterlassen, sondern auch in der Stadt. An den ehemaligen Wohnhäusern hängen Gedenktafeln, besondere Plätze, Straßen und Gebäude sind in den Werken von Fontane, Kästner und Herrndorf verewigt. Wo lebten und arbeiteten die wichtigsten Berliner Literaten und wie ließen sie sich durch das Leben an der Spree inspirieren? Eine Zeitreise entlang zwölf besonderer Adressen.


Prager Straße 6: Erich Kästner

Berliner Schriftsteller: Erich Kästner raucht eine Zigarette, 1969. Foto: Imago/Sven Simon
Der legendäre Berliner Schriftsteller Erich Kästner raucht eine Zigarette, 1969. Foto: Imago/Sven Simon

Bis 1929, dem Erscheinungsjahr von „Emil und die Detektive“, lebte Erich Kästner einige Jahre in einem möblierten Zimmer am Prager Platz, mitten im Wilmersdorfer Kiez, von wo man über die Motzstraße auch schnell nach Schöneberg gelangt. Das Wohnhaus existiert nicht mehr, aber der Ort ist dennoch ein guter Startpunkt für einen Kästner-Rundgang, der sich auch hervorragend mit Kindern unternehmen lässt.

Von hier aus kann man der Verfolgungsjagd des zwölfjährigen Jungen Emil Tischbein und seiner Freunde nachspüren, die sich vorgenommen haben, einen Dieb zu stellen. Und die Eltern können mit den Worten aus Kästners Roman „Fabian“ durch die Gegend streifen.

  • Prager Straße 6, Wilmersdorf

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Kaiser-Friedrich-Straße 70: Robert Walser

Der junge Robert Walser, um 1900. Foto: Gemeinfrei
Der junge Robert Walser, um 1900. Foto: Gemeinfrei

Der Schweizer Schriftsteller wurde 1905 Berliner, das heimatliche Biel wurde ihm schon früh zu eng. Nach Stationen in Basel, Stuttgart und Zürich nistete sich der 27-Jährige schließlich in der Charlottenburger Bude seines Bruders Karl in der Kaiser-Friedrich-Straße 70 in Charlottenburg ein.

Im Prinzip eine klassische Expat-Geschichte, wie sie bis heute tausendfach in Berlin zu finden ist. In seiner Berliner Zeit nahm Walsers Karriere Fahrt auf, er schrieb hier seine Romane „Geschwister Tanner“, „Der Gehülfe“ und „Jakob von Gunten“, die bei Bruno Cassirer erschienen sind. 1913 kehrte er Berlin den Rücken und ging in seine Heimat zurück.

  • Kaiser-Friedrich-Straße 70, Charlottenburg

Spichernstraße 16: Bertolt Brecht

Der junge Bertolt Brecht lebte in den 1920er-Jahren in Wilmersdorf. Foto: Imago/Photo12/Archives Snark
Der junge Bertolt Brecht lebte in den 1920er-Jahren in Wilmersdorf. Foto: Imago/Photo12/Archives Snark

Berlin und Brecht sind auf ewig miteinander verbunden. Hier wirkte er am Berliner Ensemble und hier begann sein Weltruhm, bevor er ins Exil gehen musste. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof fand der einflussreiche Theatermacher, Lyriker und Dramaturg seine letzte Ruhe.

Man kennt heute vor allem Brechts letztes Wohnhaus in der Chausseestraße in Mitte, das Brecht-Haus. Bis zur Emigration lebten Bertolt Brecht und Helene Weigel jedoch in der Spichernstraße 16 in Wilmersdorf. Dort schrieb er den Text zur „Dreigroschenoper“. Die Musik dazu kam von Kurt Weill, der am Luisenplatz 3 in der Nähe vom Schloss Charlottenburg lebte.

Mit den Worten und Klängen der beiden Künstler im Ohr könnte man bei einem „Dreigroschen-Spaziergang“ beide Orte miteinander verbinden.

  • Spichernstraße 16, Wilmersdorf, zuletzt Chausseestraße in Mitte

Wittelsbacherstraße 5:  Erich Maria Remarque

Berliner Schriftsteller: Erich Maria Remarque, 1929. Foto: Imago/Courtesy Everett Collection
Nur kurz ein Berliner Schriftsteller: Erich Maria Remarque, 1929. Foto: Imago/Courtesy Everett Collection

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren vor allem Wilmersdorf und Charlottenburg bei den Literaten beliebt. Von Kreuzberg als Heimat der Künstler war noch nichts zu hören, und auch Mitte schien weniger attraktiv als die Bezirke im alten Westen. So lebte auch Erich Maria Remarque in den 1920er-Jahren in der Gegend unweit des Preußenparks.

In dem Haus Nummer fünf in der Wittelsbacherstraße lebte er bis 1929 und schrieb dort „Im Westen nichts Neues“. Nach der Verfilmung und dem Welterfolg seines Romans, in dem er vom Schicksal eines Soldaten im Ersten Weltkrieg berichtet, übersiedelte er Anfang der 1930er-Jahre in die Schweiz und bezog eine Villa am Lago Maggiore, doch den Grundstein für seinen Ruhm legte er in Berlin.

  • Wittelsbacherstraße 5, Wilmersdorf

Rudolf Ditzen Weg 19: Hans Fallada

Gedenktafel an Hans Falladas Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0
Gedenktafel an Hans Falladas Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0

Der Spaziergang auf den Spuren von Hans Falladas letzter Lebensphase führt in den Norden, nach Pankow. Um 1946 bewohnte er dort eine Sieben-Zimmer-Wohnung am Eisenmengerweg, der 1951 in Majakowskiweg und 1994 in Rudolf-Ditzen-Weg umbenannt wurde. Der kurze Pfad teilt den berühmten Majakowskiring, wo in DDR-Zeiten die Honoratioren des SED-Staates lebten, in zwei Hälften.

Dort schrieb der Berliner Schriftsteller Fallada kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, gezeichnet vom ausufernden Morphiumkonsum, Krankenhausaufenthalten, Depressionen und einem Suizidversuch, in nur vier Wochen seinen letzten Roman „Jeder stirbt für sich allein“ fertig. Im Februar 1947 starb er im Alter von 53 Jahren im Krankenhaus Niederschönhausen.

  • Rudolf-Ditzen-Weg 19, Pankow

Quermatenweg 178: Ingeborg Drewitz

Berliner Schriftsteller: Gedenktafel an Ingeborg Drewitzs Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0
Gedenktafel an Ingeborg Drewitzs Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0

Bis zum Krieg war der Literaturbetrieb, bis auf wenige Ausnahmen in den 1920er-Jahren, von Männern dominiert. Nach 1945 änderte sich das Verhältnis mit Autorinnen wie Ingeborg Drewitz. Ihre Romane, Erzählungen, Dramen und Sachbücher gehören zu den bedeutendsten Werken der Nachkriegsliteratur.

1946 zog sie mit ihrem Ehemann in das Haus im Zehlendorfer Quermatenweg 178, in dem sie bis zu ihrem Tod 1986 lebte. Die idyllische Adresse zwischen Onkel-Toms-Straße und der Krummen Lanke lädt zu einem schönen Spaziergang im mondänen Südwesten der Stadt.

  • Quermatenweg 178, Zehlendorf

Yorckstraße 81: Nick Cave

Nick Cave bei einem Konzert, 1990. Foto: Imago/Brigani-Art/Brigitte Heinrich
Nick Cave bei einem Konzert, 1990. Foto: Imago/Brigani-Art/Brigitte Heinrich

In West-Berlin entwickelte sich Nick Cave zu einem der überragenden Songwriter seiner Generation. Und festigte seinen Ruf als Workaholic. Er schrieb in dieser Zeit Texte für drei Studioalben, wirkte an anderen Plattenprojekten, etwa mit Die Haut, arbeitete an Filmen und nahm ein Album mit Coverversionen alter Songs auf. 

Zwischendurch ging er weltweit auf Tour, und doch fand Cave die Zeit, seinen ersten Roman zu schreiben. Als er zwischenzeitlich aus Christoph Drehers Loft in der Dresdner Straße 11 ausgezogen war, lebte er bei Freunden in einer Wohnung in der Yorckstraße. Dort hauste er in einer Art Hochbett-Höhle, die vollgestellt war mit Zetteln, Büchern und Fotos.

In dieser Atmosphäre schrieb er den abgründigen Roman „Und die Eselin sah den Engel“ (1989), in dem ein bedauernswerter Antiheld von einer fundamentalistischen Gemeinde in den Wahnsinn getrieben wird. Der Berliner Comiczeichner Reinhard Kleist hat diese Episode in seiner biografischen Graphic Novel über Nick Cave verewigt.

  • Yorckstraße 81, Kreuzberg

Niedstraße 13: Günter Grass

Berliner Schriftsteller: Günter Grass, 1985. Foto: Imago/Marcello Mencarini/Leemage
Günter Grass, 1985. Foto: Imago/Marcello Mencarini/Leemage

Der gebürtige Danziger Grass kam Anfang der 1960er-Jahre nach West-Berlin, sein Schriftstellerkollege – und späterer Nachbar – Uwe Johnson erzählte ihm von einem schönen alten Haus in der Niedstraße in Friedenau, das der Verfasser der „Blechtrommel“ mit seiner Familie bezog. Er blieb über 30 Jahre dort und prägte den Kiez.

Günter Grass war nicht nur ein Literat von Weltrang, der die Politik der BRD beeinflusste, für landesweite Skandale sorgte und 1999 mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Er war auch ein bekennender Gourmet, der gerne auf dem Friedenauer Wochenmarkt einkaufen ging und seinen Gästen erlesene Köstlichkeiten wie Hammelkeule servierte.

Neben Johnson und Grass lebten auch andere Berliner Schriftsteller, Maler und Musiker in der Gegend, und auch die Kommune I hat sich hier, in der Wohnung von Hans Magnus Enzensberger, angesiedelt.

  • Niedstraße 13, Friedenau

Nordufer: Wolfgang Herrndorf

Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, 2003. Foto: Imago/Sven Simon
Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, 2003. Foto: Imago/Sven Simon

Anfang 2010 wurde bei Wolfgang Herrndorf ein bösartiger Gehirntumor diagnostiziert. Über seine Krankheit schrieb er in seinem Blog Arbeit und Struktur. Zu jener Zeit lebte er am Nordufer und ging in den Pausen zwischen der Arbeit am Hohenzollernkanal spazieren, wo er sich angesichts der unheilbaren Erkrankung am 26. August 2013 das Leben nahm. 

„Wolfgang Herrndorf starb nicht am Krebs. Er hat sich gestern in den späten Abendstunden am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen“, verkündete die mit ihm befreundete Berliner Autorin Kathrin Passig. Herrndorf schrieb den Poproman „In Plüschgewittern“ sowie den ironischen Agententhriller „Sand“, der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Sein bekanntester Roman ist „Tschick“, ein Roadtrip zweier jugendlicher Außenseiter, die in einem Lada eine wilde Fahrt durch Ostdeutschland beginnen. 

  • Nordufer, Wedding

Amalienpark 7: Christa Wolf

Berliner Schriftsteller: Christa Wolf, 1990er-Jahre. Foto: Imago/gezett
Christa Wolf, 1990er-Jahre. Foto: Imago/gezett

Keine andere Autorin prägte den Literaturbetrieb der DDR so stark wie Christa Wolf. Sie hinterließ ein umfangreiches Werk zu dem neben Romanen und Erzählungen auch Aufsätze, Essays, Hörspiele, Drehbücher und mehr als ein Dutzend Tonträger gehören.

Wer den Spuren der Autorin von „Der geteilte Himmel“ und „Kindheitsmuster“ folgen will, muss nach Pankow. Dort lebte Christa Wolf in einem der schönen, denkmalgeschützten Häuser am Amalienpark. Ein guter Ausgangspunkt, um die Gegend zu erkunden. So bietet sich etwa ein Streifzug zum benachbarten Pankower Schlosspark an.

  • Amalienpark 7, Pankow

Nollendorfstraße 17: Christopher Isherwood

W. H. Auden und Christopher Isherwood. Foto: Imago/United Archives
W. H. Auden und Christopher Isherwood. Foto: Imago/United Archives

Ein weiterer Expat, der zum legendären Berliner Schriftsteller wurde: 1929 folgte Christopher Isherwood seinem Freund und Schriftstellerkollegen W.H. Auden nach Berlin und wohnte in Schöneberg, nicht weit vom Nollendorfplatz. Beide tauchten in der berühmten Schwulenszene der Stadt ab, gingen in die Bars, Varietés und Theater und tanzten auf dem Vulkan.

Diese Zeit beschreibt Isherwood in seinem autobiografisch geprägten Roman „Leb wohl, Berlin“, der als Musical und Film unter dem Titel „Cabaret“ zum Welterfolg wurde und das Bild der Goldenen Zwanziger in Berlin nachhaltig prägte.

  • Nollendorfstraße 17, Schöneberg

Meinekestraße 6: Irmgard Keun

Berliner Schriftsteller: Gedenktafel an Irmgard Keuns Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0
Gedenktafel an Irmgard Keuns Wohnhaus in Berlin. Foto: OTFW/Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0

„Liebe an sich strengt an“, findet Doris. 1932 ist sie 18 Jahre alt und flieht aus der Provinz an den einzigen deutschen Ort, an dem es sich ungezwungen leben lässt: Berlin. Frech, unbeirrbar und hellsichtig analysiert Doris ihre Bettgeschichten und die ärmlichen Verhältnisse, aus denen sie stammt – und in die sie wieder zurückrutscht.

Denn Berlin hält weder finanziell noch romantisch, was es versprochen hat. „Das kunstseidene Mädchen“ ist bis auf ein paar altmodische Ausdrücke so frisch wie am ersten Tag. Würde man an manchen Stellen „Berghain“ und „Sugar Daddy“ hineinlektorieren, könnte es problemlos als zeitgenössisch durchgehen – nicht nur deshalb einer der wichtigsten Berlin-Romane. Wer der Autorin nachspüren will, sollte sich rund um den Ku’Damm rumtreiben, schließlich lebte Keun in der Meinekestraße 6. (CHW)

  • Meinekestraße 6, Charlottenburg

Mehr Berliner Literatur

Ein weiterer Schriftsteller, der hier gelebt hat: Franz Kafkas kurze Zeit in Berlin. Habt ihr sie alle? 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte (Teil 1: 1923 bis 1965). Im zweiten Teil der Sammlung unserer 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte, geht es von den 60ern bis zum Mauerfall. Von Suhrkamp bis Underground: Das sind die wichtigsten Berliner Verlage. Erst 100 Berlin-Romane lesen, dann den Klang der Stadt entdecken: Diese 100 Berlin-Platten sollte jeder gehört haben. Mehr Literatur findet ihr in unserer Bücher-Rubrik.

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