Architektur

Rainer G. Rümmler: So prägt der U-Bahn-Visionär Berlin

Rainer G. Rümmler wird selten in einer Reihe mit Größen der Berliner Architektur genannt. Dabei prägt er mit seinen Bauten den Alltag der Berlinerinnen und Berliner wie kaum ein anderer: Er gestaltete vornehmlich U-Bahnhöfe, und davon jede Menge. In den 1950er-Jahren nahm er die Arbeit als Architekt auf, und ab den 1960er-Jahren trug so gut wie jede neue Station in West-Berlin seine Handschrift. Im Dienst des Senats brachte er es bis zum Baudirektor, aber unumstritten war er nicht: Vor allem in der zweiten Hälfte seiner Karriere wurde er experimentierfreudig. Manche schätzen das poppige Design, andere warfen ihm Kitsch vor. Wir zeigen euch 12 bemerkenswerte U-Bahnhöfe und andere Gebäude von Rainer G. Rümmler in Berlin.


U-Bahnhof Paulsternstraße

Zauberwald, Märchenhöhle oder LSD-Tripp? U-Bahnhof Paulsternstraße von Rainer G. Rümmler. Foto: Andreas Süß/BVG
Zauberwald, Märchenhöhle oder LSD-Tripp? U-Bahnhof Paulsternstraße von Rainer G. Rümmler. Foto: Andreas Süß/BVG

Man könnte denken, der U-Bahnhof Paulsternstraße imitiere einen Zauberwald: Blumen und Gräser, Nachtfalter und Bäume zieren die Wände und Säulen des U-Bahnhofs. Tatsächlich ließ sich Rainer G. Rümmler bei diesem Bahnhof von der Landschaft inspirieren, die die Welt oberhalb der Erde früher prägte. Dort befand sich ein Kiefernwald, der bis zur Jungfernheide reichte, die sogenannten „Spreemoore“, und Gemeindeland, das „Sternfelde“ hieß. Vor allem bei den U-Bahnhöfen, die Rümmler ab den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren baute, wollte er einen Bezug zum Namen der Station, manchmal auch zur Oberfläche herstellen. Der U-Bahnhof Paulsternstraße und sechs weitere auf der nordwestlichen U7 gehören dazu. Sie stehen inzwischen unter Denkmalschutz.


U-Bahnhof Rathaus Steglitz

Die schönsten U-Bahnhöfe und Gebäude des Architekten Rainer Rümmler: U-Bahnhof Rathaus Steglitz
Im U-Bahnhof Rathaus Steglitz bewacht bald wieder der Kerberos den Eingang zur Unterwelt. Das Bild entstand vor der Sanierung. Foto: Wikimedia Commos/Jcornelius/CC BY-SA 3.0

Der U-Bahnhof Rathaus Steglitz ist ebenfalls speziell. Säulen aus rohem Beton tragen die Decke und die Wände sind mit vollgetaggten Rigipsplatten verkleidet. Früher war der U-Bahnhof eine Symphonie aus Blau und Gelb, mit königsblauen Wänden und einer Decke, die aussah, als klebten lauter riesige gelbe Saugnäpfe daran. Der Blickfang aber war der Kerberos, eine Figur aus der griechischen Mythologie: Der Hund des Hades bewacht den Eingang zur Unterwelt. Im U-Bahnhof Rathaus Steglitz ist er gleichzeitig eine Verkörperung von Rainer G. Rümmlers Bauphilosophie bei U-Bahnhöfen: Sie sollten Orte sein, die sprechen, mit Details, über die Fahrgäste nachdenken können, während sie warten.


U-Bahnhof Fehrbelliner Platz

Rund und rot: das Empfangsgebäude des U-Bahnhofs Fehrbelliner Platz, entworfen von Rainer G. Rümmler. Foto: Andreas Süß/BVG
Rund und rot: das Empfangsgebäude des U-Bahnhofs Fehrbelliner Platz, entworfen von Rainer G. Rümmler. Foto: Andreas Süß/BVG

Feuerwehrrot stehen das Eingangsgebäude der U-Bahnstation und der Eingang zur einfachen Treppe in den Untergrund am Fehrbelliner Platz gegen die sie umgebende Nazi-Architektur. Die runden Formen des Eingangsgebäudes bilden einen starken Kontrast zu den restlichen Gebäuden am Platz. Innerhalb des Gebäudes erleuchten oben Deckenlampen den Raum, orange und zylinderförmig – auch hier blieb Rainer G. Rümmler bei den runden Formen, die den U-Bahnhof Fehrbelliner Platz prägen. Eigentlich gab es noch mehr runde und rote Akzente im Bahnhof: Rümmler hatte abgerundete Sitznischen in die Wände einlassen lassen. Die BVG hat diese allerdings inzwischen entfernt. Einen Blick auf die 1970er-Jahre in Berlin werfen wir hier.


Rainer G. Rümmlers U-Bahnhof Eisenacher Straße

Lässt man die Fantasie spielen, wähnt man sich im Wald in diesem grünen Farbraum. Foto: Jörg Pawlitzke/BVG
Lässt man die Fantasie spielen, wähnt man sich im Wald in diesem grünen Farbraum. Foto: Jörg Pawlitzke/BVG

Wenn man auf einer Bänke im U-Bahnhof Eisenacher Straße sitzt, den Blick auf die wandhohen tiefgrünen Zementfaserplatten an der Wand gerichtet, die Augen halb geschlossen, sodass die Wimpern die Sicht verschwimmen lassen, passiert es manchmal, dass man sich in einem Nadelwald wähnt – wenn man sich ein bisschen anstrengt und die Fantasie spielen lässt. Vielleicht in einem in den Alpen, aus dem Regen im Sommer dampfend emporsteigt? Weniger blumig könnte man die U-Bahnstation auch als „Farbraum“ bezeichnen. Anfang der 1970er-Jahre baute Rümmler eine Reihe solcher Farbraum-Bahnhöfe, vor allem entlang der U7. Die U-Bahnhöfe Rudow und Walther-Schreiber-Platz gehörten mal dazu, doch sie wurden entkernt. Noch da sind die königsblauen Wände am U-Bahnhof Bayerischer Platz.


U-Bahnhof Zitadelle

Im U-Bahnhof Zitadelle fehlt eigentlich nur noch eine Zugbrücke. Foto: Jörg Pawlitzke/BVG

Zurück zu den denkmalgeschützten sprechenden U-Bahnhöfen entlang der U7 im Nordwesten Berlins. Ein weiterer von ihnen ist der U-Bahnhof Zitadelle. Oben steht die historische Festung, unten sieht der U-Bahnhof aus, als würden sich hier Ritter wohlfühlen und Gelage mit Eisbeinen und rotem Wein feiern, wenn man ihnen nur eine geeignete Tafel hineinstellen würde. Die Wände des U-Bahnhofs sind ganz in rote Ziegel gekleidet und die Säulen, die die Decke stützen, sind wuchtig. Die Decke ist hölzern und die Türen erinnern an Burgtore. Sogar die Bänke sind hier eingefasst in niedrige steinerne Mauern. Mehr über die Zitadelle Spandau, namengebend für die Station, erfahrt ihr hier.


U-Bahnhof Rohrdamm

Die schönsten U-Bahnhöfe und Gebäude des Architekten Rainer Rümmler: Rohrdamm
Siemens ist auch im Untergrund präsent. Foto: Andreas Süß/BVG

Weiter mit den Bahnhöfen am westlichen Ende der U7, denen einige Kritiker:innen vorgeworfen haben, sie würden nicht sprechen, sondern plappern. Rümmler sei bei diesen Werken dem Kitsch verfallen, so der Vorwurf. Die Grenze zwischen Pop-Art und Kitsch verläuft eben für jeden woanders. Am U-Bahnhof Rohrdamm jedenfalls wollte Rümmler Siemens und seine Industrieanlagen, die sich in dieser Gegend oberirdisch befinden, widerspiegeln. Goldene und silberne Zahnräder, die ineinander greifen, Kolben und Stangen zieren die Wände in dieser U-Bahnstation.


U-Bahnhof Rathaus Spandau

Die U-Bahnstation Rathaus Spandau macht dem Bahnhof Heidelberger Platz Konkurrenz. Foto: Imago/Sabine Gudath

Wer sich im U-Bahnhof Heidelberger Platz an eine Kathedrale erinnert fühlt, der tut es im U-Bahnhof Rathaus Spandau wahrscheinlich auch. Von den Decken hängen Leuchten, die elegant geschwungenen metallischen Streben befestigt sind und von oben in den Raum hineinragen. Noch imposanter aber sind die tragenden Säulen des U-Bahnhofs. Unten kleidet sie glänzender schwarzer Granit, weiter oben zieren sie goldene Ornamente und smaragdgrüne Flächen, bevor sie in der Form eines eckigen Trichters ausfächern. Gerade diese Formen wirken wie eine Reminiszenz an ein prachtvolles Gotteshaus. Wie schön, dass Rainer G. Rümmler im Gegensatz zu den großen Baumeistern früherer Jahrhunderte prachtvolle Architektur für die Menschen und nicht für einen Gott oder Könige und Kaiser gebaut hat.


Finanzamt Reinickendorf

Die schönsten U-Bahnhöfe und Gebäude des Architekten Rainer Rümmler: Finanzamt Reinickendorf
Raumschiff? U-Boot? Oder doch das Finanzamt Reinickendorf? Foto: Imago/Andreas Gora

Rainer G. Rümmler hat nicht nur U-Bahnhöfe gebaut, sondern zum Beispiel auch das Finanzamt Reinickendorf. Der Architekt hat es 1978 hochziehen lassen. Wenn man davor steht, seitlich draufguckt und Kinder dabei hat, könnte man zusammen überlegen, an was einen die runde kurze Seite des Gebäudes erinnert. An die Brücke auf einem großen Schiff? An ein U-Boot? Oder gleich an ein Ufo? Ein Geheimtipp: Auch die Kantine des Finanzamts stammt aus Rümmlers Feder. Wer also einen Rümmler-Bau länger als die Minuten, die man auf eine U-Bahn wartet, auf sich wirken lassen will, aber keine Lust darauf hat, durch die Gänge eines Finanzamts zu schlurfen, könnte dort essen gehen.


Rainer G. Rümmler entwarf die Feuerwache Kreuzberg

So Seventies: die Feuerwache Kreuzberg. Foto: Imago/imagebroker

Angesichts von Rainer G. Rümmlers blühender Fantasie könnte man denken, die Flammen und Bilder von löschenden Feuerwehrwagen an der Frontseite der Feuerwache Kreuzberg gingen auf sein Konto. Aber das Graffito ziert die Wache erst seit 2002, nachdem das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und die Feuerwehr gemeinsam beschlossen hatten, das Gebäude besprühen zu lassen. Ob sie Rümmler damit ehren wollten?

Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, könnte man wetten, dass die Kunst nach dem Geschmack des Architekten war, der immer wollte, dass Architektur zu den Menschen spricht. Rümmler stellte die Feuerwache 1974 fertig. Auch ohne das Jahr zu kennen, in dem das Gebäude entstand, könnte man zumindest das Jahrzehnt erraten: Die runden Ecken und das Farbspiel aus Feuerwehrrot und Braun sprechen die Sprache der 1970er-Jahre.


U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz

Blau und gelb hat schon immer gut zusammengepasst. Foto: Andreas Süß/BVG

Wieder die U7: Sonnengelb und Dunkelblau beherrschen den U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz in einem Zusammenspiel aus Mosaiken. Diese finden sich nicht nur an den Wänden, sondern auch an den Säulen des U-Bahnhofs. Wer genau hinsieht, erkennt an mancher Stelle sogar Szenen aus Wagner-Opern. Doch auch wenn man nichts mit Opern anfangen kann, entfaltet der Bahnhof seine Wirkung. An der Decke ist er in einem matten Rot und einem schönen Blau, ähnlich dem auf den Fliesen, gestrichen. Beide Farben passen sich hervorragend in die gelb-blaue Mosaikkomposition des U-Bahnhofs ein.


U-Bahnhof Konstanzer Straße

Wenn die U-Bahnstation Konstanzer Straße ein Geräusch wäre, wäre es „Sssswwwwssssch“. Foto: Andreas Süß/BVG

Das Wort, das das Design des U-Bahnhofs Konstanzer Straße am besten beschreibt, ist wohl: dynamisch. Wenn man auf der Plattform in der Mitte des U-Bahnhofs steht, scheint es fast, als machten die Farben und Strie Geräusche, nämlich „Ssswwwschhhh“. Die farbigen Bänder an den Wänden der Station verlaufen so gerade und sind so lang, dass man sich fast fühlt, als würde man in den U-Bahnhof hineingesogen, hin zum Fluchtpunkt. An der Decke dagegen dominieren runde Formen. Die Lampen sind in Vertiefngen mit runden Enden eingelassen, und an den Seiten geht die Decke mit einem Viertelkreis in die Wände über.


Checkpoint Bravo – Dreilinden-Drewitz

Rainer G. Rümmlers poppig-bunter Stil ist hier unverkennbar. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Der Transit zwischen West-Berlin und der DDR war zur Zeit der deutschen Teilung streng überwacht. Einer der bekanntesten Übergänge hieß Kontrollpunkt Dreilinden-Drewitz südlich vom Autobahnkreuz Zehlendorf, der US-Teil war schlicht als Checkpoint Bravo bekannt. Aufsehenerregend ist vor allem das bunte Ensemble aus Raststätte und Tankstelle, entworfen von Rainer G. Rümmler in den Jahren 1968 bis 1972. Das markante Bauwerk steht längst unter Denkmalschutz – und gehört definitiv zu den ungewöhnlichen Gebäuden in Berlin, denen ihr einen Besuch abstatten solltet.


Mehr zu U-Bahnen und Architektur

Immer neue und interessante Geschichte über die Architektur in Berlin findet ihr hier. Rainer G. Rümmler war einer von zwei prägenden Architekten für die U-Bahn. Der andere: Alfred Grenander, dessen schönste Gebäude und Bahnhöfe ihr hier seht. Es gibt noch mehr schöne Stationen in Berlin. Diese 12 Berliner-U-Bahnhöfe sind einen Besuch wert – auch ohne Ticket. Noch mehr zu Berlins Architektur gibt’s in unser Guide von Bauhaus bis Bausünde, von Preußen bis Postmoderne. Wenn ihr Wissenswertes für jede Station sucht: Wir stellen die U1, U2U3U4U5U6U7, U8 und U9 auf ganzer Länge vor.

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