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Charlottenburger Typen, die ihr immer trefft

Charlottenburger Typen prägen den Bezirk und den Ruf des Alten Westens. Besucht man die Kneipen, Restaurants, Galerien und Parks, trifft man schnell auf Charaktere, die an keinem Ort in Berlin besser aufgehoben wären. Wir stellen die lebenden Stadtteil-Klischees vor – vom Kurfürstendamm bis zum Lietzensee.


Charlottenburger Typen: Die Akademiker

Die Akademiker trinken immer, sind aber nie betrunken. Typisch Charlottenburg. Foto: Imago/David Heerde

Mit Rudi Dutschke haben sie demonstriert, mit Rio Reiser gekifft. Die Akademiker mit Niveau sind der Innbegriff der Hochkultur des Alten West-Berlins. An der Hochschule der Künste studierten sie Kunstgeschichte und zeitgenössische Theaterwissenschaften. Zwischenzeitlich spielten sie an der Schaubühne, führten eine kleine Galerie mit Schwerpunkt auf turkmenischer Kunst in der Knesebeckstraße und später ein Künstlercafé am Klausenerplatz. Inzwischen sind sie Ehrenprofessoren und verbringen die meiste Zeit mit Zeitungslektüre im Zwiebelfisch. Ihre Studentenwohnung am Stuttgarter Platz haben sie in den 1980ern gegen eine 140-Quadratmeter-Wohnung in der Bleibtreustraße getauscht. Mehr Platz für die Bibliothek. Trotzdem sind die Akademiker sich – und vor allem Rudi Dutschke – treu geblieben. Sie trinken gepflegtes Pils statt Champagner, schweren Rotwein statt Scotch, die Haare sind noch immer lang, die linken Positionen immer noch stabil.


Die Gastronomen

The Duc Ngo ist der König der Kantstraße. Foto: Imago/Piero Chiussi

Charlottenburg ist seit Jahrzehnten eine Spielwiese für innovative Gastronomen aus vielen verschiedenen Ländern. Da wäre The Duc Ngo, der König der Kantstraße. Er hat den kulinarischen Wandel Berlins begleitet und geprägt wie kein zweiter: von Ramen zu Sushi zur Pho, von Charlottenburg nach Mitte und zurück. The Duc Ngo zog Ende der 1970er-Jahre mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus Vietnam nach Berlin und bald nach Charlottenburg. In der Kantstraße verwirklichte er sich in den besten asiatischen Restaurants der Stadt. Charlottenburg ist ein Food-Paradies. Neben Klassikern eröffnen immer wieder neue spannende Orte. Wie das Pars in der Grolmanstraße, in dem die Patissière und bildende Künstlerin Kristiane Kegelmann das legendäre Café Savigny beerbt. Oder das BRLO Charlottenburg, das die Brauhausküche wiederbelebt. Es gibt so viel zu probieren: Das sind die besten Restaurants in Charlottenburg. Und für danach oder dazwischen: die besten Bars in Charlottenburg.


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Charlottenburger Typen: Die Urban-Outfitter-Teenies

Die Urban-Outfitter-Teenies auf dem Savignyplatz: So lässt man es sich in Charlottenburg gut gehen. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Bei Charlottenburg denken viele an ältere Ehepaare im Café oder Neureiche im AMG-Mercedes. Doch natürlich gibt es auch im Alten Westen junge Leute. Doch wie bei ihren Eltern und Großeltern unterscheidet sich auch ihr Lifestyle schon in jungen Jahren von den Lebensweisen in anderen Bezirken. Charlottenburger Teenies hängen gediegen am Lietzensee ab, gehen Sushi essen auf der Kantstraße oder versuchen, minderjährig in eine Raucherkneipe zu gelangen, um Karten zu spielen und Bier zu trinken. Wenn man an einem Sommertag über den Savignyplatz läuft, fühlt man sich schnell wie bei Urban Outfitters. Eine Filiale ist ja auch gleich um die Ecke. Fest steht: Those kids got style – und von den Eltern das nötige Kleingeld. Modeverirrungen und Jugendsünden: Fehlanzeige! Gute Restaurants am Savignyplatz stellen wir hier vor.


Die Hertha-Ehrenmitglieder

Charlottenburger durch und durch: Frank Zander ist der Beste. Foto: Imago/camera4+

Die Ehrenmitglieder kennen jede Hertha-Kneipe zwischen Neukölln und Westend wie ihre Kuttentasche. Am Tresen saßen sie schon mit Hanne Sobek zusammen, Arne Friedrich haben sie letztens bei Bier’s Curry getroffen – und den guten Frank Zander kennen sie schon von Anfang an. Frank Zander ist eh der Beste. Trotz Ruhm und Karriere ist der sich nämlich stets treu geblieben und wohnt immer noch zur Miete in einer Charlottenburger Wohnung, in die er vor mehr als 50 Jahren mit seiner Frau Evelyn gezogen ist. Auch die Hertha-Ehrenmitglieder bleiben sich treu. Bei Schultheiss aus der Tulpe, bei Gabi an der Theke und bei ‘ner Knacker beim Fleischer. Der Schnauzer sitzt, die Haare bleiben lang. Im Kiez kennt man sie noch, prostet ihnen zu, wenn ein Tor fällt. Die Herthaner sind Charlottenburg durch und durch.


Charlottenburger Typen: Die Ku’damm-Bonzen

Hauptsache teuer: Die Ku’damm-Bonzen zeigen gerne, wie reich sie sind. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Sie sind reich, sehr reich – und das sollen alle sehen. Ihren Reichtum investieren die Ku’damm-Bonzen nicht in Eleganz, sondern in Statussymbole. An der Hand tragen sie keine Uhr, sondern gleich ein ganzes Jahrzehnt. Wie eine Elster schnappen sie sich alles, was glänzt und blinkt und blendet. Ihre Scheine stellen sie in goldenen Geldklammern zur Schau, die Marken ihrer aufgeplusterten Steppjacken stehen in allen verschiedenen Größen und Verzierungen auf dem synthetischen Stoff. Soll ja jeder wissen. Die Lippen werden jedes Jahr ein bisschen größer, die Haut immer straffer, das Portmonee immer dicker, der kleine Hund mit Atemproblemen immer besser frisiert. Die Ku’damm-Bonzen fahren keinen Oldtimer, sie fahren tiefergelegte weiße SUVs mit acht Auspuffen. Einparken können sie trotzdem nicht.


Die Prominenz des Alten Westens

Die Prominenz des Alten Westens hat ihre Spuren hinterlassen. Foto: Imago/APress

Viele von ihnen sind schon lange tot und doch lebt ihr Vermächtnis in den Straßen, Cafés und Bars Charlottenburgs weiter. Oder in den Lebenszielen der Imitatoren, die nach einem durchzechten Abend in der Paris Bar denken, sie wären Otto Sander. Doch ein so legendärer Schauspieler und Tresenveteran lässt sich nicht kopieren. Genau so wenig wie andere Ikonen des Alten Westens. Starfriseur Udo Walz zum Beispiel, mit dem sich Sander auf der Terrasse der Paris Bar einen Prominenzwettstreit lieferte, oder Rolf Eden, Berlins berühmtesten Nachtclubbesitzer. Charlottenburgs Bars und Bühnen zogen schon immer spannende Leute an. Viele berüchtigte Lokale der Berliner Kunstszene waren oder sind bis heute hier beheimatet. Weiterhin leben Promis gerne hier. Und die Namen derer, die sich schon verabschiedet haben, sind auf goldenen Plaketten an den Tresen ihrer Stammkneipen verewigt.


Charlottenburger Typen: Die Flaneure

Die Flaneure haben ihre Genussrouten über Jahrzehnte hinweg perfektioniert. Foto: Imago/Olaf Schuelke

Die Flaneure wissen genau, wie man sich einen schönen Tag in Charlottenburg macht. Ihre Schlender- und Genussrouten haben sie über Jahrzehnte hinweg perfektioniert. Ein gemütlicher Spaziergang um den Lietzensee, ein Bummel über die Antikmeile Suarezstraße, ein traditionell geräucherten Aal bei Rogacki, eine Auster auf dem Wochenmarkt Karl-August-Platz und dazwischen immer wieder ein erfrischender Chardonnay. Die Flaneure wohnen nicht in Charlottenburg, sie sind Charlottenburg.


Die Sonntagsfahrer

Die Sonntagsfahrer rasen nicht, sie fahren aus. Foto: Imago/serienlicht

Die Sonntagsfahrer holen ihren 1963er Jaguar E-Type nur aus der Tiefgarage, wenn die Sonne scheint und die Luftfeuchtigkeit nicht mehr als 42,8 Prozent beträgt. Dann geht es auf den Kurfürstendamm. Die Leute sollen staunen, aber nicht starren. Denn der Sonntagsfahrer fährt vor allem für sich – und für seinen polierten Wagen. Das Halstuch flattert, die Sonnenbrille sitzt, der Motor schnurrt. Diese eleganten Charlottenburger rasen nicht, sie fahren aus.


Charlottenburger Typen: Die Shopping-Queens

Meister aller Klassen: Die Shopping-Queens kennen alle Tricks. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Die Shopping-Queens können acht Tüten auf einmal tragen – mit einer Hand. Der Ku’damm ist ihre Laufbahn, hier werden Rekorde aufgestellt. Voller Zielstrebigkeit kämpfen sie sich durch die Angebote, das Auge stets auf den besten Preis gerichtet. Sie kennen alle Tricks, wissen, wann man am besten startet, pausiert und aufhört. Keine Schlange ist zu lang, kein Black Friday zu kurz. Shoppen ist Sport, Leidenschaft, Liebe.


Die Galeristen

Die Galeristen haben einen ganz eigenen Lifestyle. Foto: Imago/Reto Klar/Funke Foto Services

Charlottenburg beherbergt viele der renommiertesten Galerien der Stadt. Hier hat man Ahnung und das nötige Budget. Vor allem aber gehört das Stolzieren entlang zeitgenössischer Kunstwerke einfach zum Charlottenburger Lifestyle dazu. Und jeder weiß, wo gerade die spritzigste Vernissage gefeiert wird. Ein Gläschen nimmt man doch gerne mit und ein paar gute Gespräche auch. Die Galerien sind eine Welt für sich. Die Menschen, die hier verkehren, eine ganz eigene Spezies. Immer aktuelle Ausstellungen stellen wir hier vor.


Charlottenburger Typen: Die Charlottengrader

Viele Russen leben in Charlottenburg und prägen den Bezirk. Foto: Imago/Roland Hartig

Auch historisch ist Charlottenburg von Zuwanderung und Vertreibung geprägt. In den 1920ern siedelten sich viele osteuropäische Juden in der Gegend rund um den Kurfürstendamm an. Viele von ihnen waren Kriegs- und Revolutionsflüchtlinge aus Russland. Schnell folgten russische Lokale, Geschäfte, Kinos, Theater und Verlage, woraufhin sich die Bezeichnung „Charlottengrad“ einbürgerte. Die Machtergreifung 1933 machte die neuen Charlottenburger erneut zu Verfolgten. Viele von ihnen flohen Richtung Paris, New York oder Tel Aviv. Andere wurden deportiert und ermordet. Die Einflüsse, die sie hinterlassen haben, sind bis heute geblieben. Und hundert Jahre nach dem Höhepunkt von „Charlottengrad“ leben wieder zehntausende Russen in Berlin, viele von ihnen in Charlottenburg – russische Geschäfte und Restaurants gibt es hier auch längst wieder.


Die Gangsta-Kids aus gutem Hause

Auch rich kids wollen Gangster sein. Foto: Imago/Zoonar.com/Andrey Guryanov

Der Johann-Linus vom Sophie-Charlotte-Platz war eigentlich immer so ein guter Junge. Der beste Tänzer in der Jazz-Dance-Klasse und ganz fingerfertig auf der Bratsche. Doch seit er 15 ist, ist er kaum wiederzuerkennen. Er trägt jetzt so Hip-Hop-Klamotten – und raucht Gras auf der Dachterrasse oder auf dem Breitscheidplatz. Die Nachbarn gucken schon. Vor seinen Freunden aus Spandau tut er so, als hätte er kein Geld. Sobald sie weg sind, fragt das Gangsta-Kid aus gutem Hause aber erstmal nach ein paar Scheinen für Bubbletea und Nigiri. In ein paar Jahren könnte er zur Ku’damm-Bonze werden. Oder er schafft doch noch den Absprung und wird immerhin zum Urban-Outfitter-Teenager.


Mehr zum Thema

Trifft man oft in Charlottenburg: die klassischen Kneipen-Charaktere. Egal ob im Kant Kino, Delphi oder Cinema Paris: Diesen Kino-Charakteren seid ihr bestimmt schon mal begegnet. Sobald die Sonne scheint, sind sie da: Die Biergarten-Charaktere fehlen nie. Ihr wollt den Bezirk erkunden: Das sind die schönsten Spaziergänge durch Charlottenburg. Von Kiez zu Kiez: Wir stellen die schönsten Nachbarschaften in Charlottenburg vor. Mehr über den Bezirk lest ihr auf unserer Charlottenburg-Seite. Und immer neue Ausflugstipps gibt’s hier.

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