Es gibt Biergarten-Charaktere, denen ihr immer über den Weg lauft. Sie sitzen, tanzen, torkeln oder fliegen herum. Mal alleine vor zehn Weizenbieren, mal mit anderen Feinschmeckern am Grill, gekleidet in neonfarbenen Multifunktionsshirts oder im feinen Sonntagszwirn. Egal ob im alteingesessenen Schleusenkrug oder dem modernen BRLO-Biergarten, eines ist sicher: Diese Typen warten schon auf euch. Setzt euch doch mal neben sie auf die Bierbank und studiert diese spannenden Biergarten-Klischees. Mit einigen von ihnen könnte es sogar Spaß machen. Prost!
Biergarten-Charaktere: Die Weizendrescher

Der Weizendrescher sieht auf den ersten Blick nicht so aus wie eine landwirtschaftliche Erntemaschine. Gut gelaunt, mit verschmitztem Grinsen im Gesicht, gesunder Bräune und drahtigem Körperbau sitzt dieser altbekannte Biergarten-Charakter in der Sonne und separiert ohne große Anstrengung sechs Liter Hefeweizen von den Gläsern. Entspannte Körperhaltung und zufriedener Gesichtsausdruck bleiben hierbei stets unverändert, selbst wenn im Magen gerade eine neue Agrarwirtschaft entsteht.
Die betagten Flaneure
Wenn die alten Preußen nicht gerade Krieg führten oder sich bei ehrenhaften Duellen abknallten, flanierten sie wie ganz feine Leute an den Gewässern der Stadt. So ließ man sich fürstlich über den Müggelsee rudern, spazierte elegant am Wannsee entlang – oder man genehmigte sich literweise Weinbrand und Klaren im gut gelegenen Ausflugslokal. Wenn die betagten Flaneure heutzutage (diverse politische Umbrüche später) in ihren ausgewählten Sonntagsstoffen mit Hut und Täschlein und erhabenem Gang in den Biergarten stolzieren, fühlt man sich plötzlich wie im historischen Preußen.
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Biergarten-Charaktere: Der Adel auf dem Radel
In seinem Roman „Tschick“ verewigte Wolfgang Herrndorf, der bis zu seinem Tod 2013 in Berlin lebte, den Adel auf dem Radel. Und wenn man dieses Bild von jungen Adligen, die gemeinsam von den Berliner Schlössern bis zu den hochherrschaftlichen Schlossanlagen in Brandenburg fahren, einmal im Kopf hat, tauchen die Zweirad-Aristokraten plötzlich im Biergarten auf. Gut gekleidet, gepudert und natürlich überhaupt nicht durchgeschwitzt – Schwitzen tut nur der Pöbel – radeln sie von Biergarten zu Biergarten. Selbst Schlösser werden ja irgendwann langweilig. Übrigens: Die betagten Flaneure und der Adel auf dem Radel verstehen sich prächtig.
Die Bayern
Der Bayer kommt mit einem gerülpsten „Servus“ in den Biergarten gestapft und ordert direkt einen Maßkrug – Helles natürlich. Der Bayer kommt nicht unbedingt aus Bayern, er liebt es einfach nur sehr, mit der Gerstendiät die Lederhosenknöpfe platzen zu lassen, oder Weißwürste im Bauchkasten zu verstauen. O’zapft is! Sogar in Berlin. Bier wird hier – wortwörtlich – literweise vernichtet. Die meiste Zeit sehen die Bayern ihre Umgebung nur durch das dicke, schwere Glas. Ein Gelage ohne Bierzelt und Kotzhügel ist aber auch eine Zumutung. Was ist mit den Berlinern los? Mia san mia.
Biergarten-Charaktere: Die blauen Herren
Bockbier und Kippen, Polohemd und Schlager – und natürlich spiegelnde Sportsonnenbrillen. Die blauen Herren freuen sich das ganze Jahr über auf den Herrentag. Endlich ist es so weit: Bollerwagen und Krawallbrausen, wieder jung, verrückt und männlich sein. Mit den Jungs ist es immer noch am schönsten. Diese modernen Leute, die beim Vorbeigehen den Kopf schütteln, sind nur neidisch. Denn wer hat keine Lust auf warmes Dosenbier, Mickie Krause, faustgroße Vape-Apparate und richtig gute Laune? Wenn der Bollerwagen aufgibt, die Vorräte aufgebraucht sind, zwei Fastschlägereien hinter sich gebracht wurden und der erste Saufkumpane das Bewusstsein verloren hat, geht’s halt in den Biergarten. Maß trinken, Fleisch essen, Mann sein.
Die Feinschmecker
Die Feinschmecker gehen nicht in den Biergarten, sondern in die gehobene modern-rustikale Ausflugsgastronomie. Bier und Bratwurst, so 1960. Ausnahmen gibt es nur, wenn das Fleisch aus einer regionalen Straußenzucht kommt und das triple-hopped Summer-IPA mit Gletscherwasser gebraut wurde. In altmodischen Biergärten runzeln sie die Stirn und beschweren sich über die uninspirierte Spritz-Auswahl.
Die Spielplatzbande
Das Klettergerüst ist ihre Festung, die Schaukel ihre Kriegsmaschine. Die Mitglieder der Spielplatzbande mögen auf den ersten Blick harmlos, vielleicht sogar niedlich wirken – doch sobald Mama und Papa mit dem Bierholen beschäftigt sind, beginnt die Schreckensherrschaft zwischen Wippe und Rutsche. Dann spielt auf dem Biergartenspielplatz niemand mehr ohne die Erlaubnis der kleinen Diktatoren. Das Regime endet erst, wenn die Eltern es mit Wassereis oder der Rückfahrt stürzen.
Biergarten-Charaktere: Die Romantiker
Die Romantiker wählen ihren Traumbiergarten nicht nach Biersorten, vegetarischen Optionen, gutem Service oder Nähe zum Wohnort aus. Nein, das Ausschlusskriterium ist: dass Joseph von Eichendorff hier einst speiste und sich an Trauerweide und Quelle erfreute. Ein Biergarten kann die Flucht aus dem urbanen Leben bedeuten, eine Oase der Waldeinsamkeit sein. Wenn die Forelle aus dem Bächlein springt, lange Schatten auf der Lichtung tanzen, die Füßlein im lauen Wasser baumeln, tut es gut, ein Taugenichts zu sein.
Die Spatzen
Die Spatzen fühlen sich richtig wohl im Biergarten. Entspannte Stimmung, nette Leute und richtig gutes Essen. Fällt doch nicht auf, wenn mal ein Stück von der Brezel fehlt. Hauptsache ihnen kommt kein anderer Spatz ins Gehege. Dann gibt’s Krieg. Auch kleine Schnäbel können beißen, auch dünne Krallen kratzen.
Biergarten-Charaktere: Die Triathleten
Die Triathleten schwimmen, radeln und laufen in den Biergarten, um sich mit einem – aber auch wirklich nur einem – isotonischen Erfrischungsgetränk zu belohnen. Ihre atmungsaktive Iron-Man-Ausrüstung lässt keinen Schweiß zu, dieser Biergarten-Charakter schwitzt aber eh nicht. Wenn das alkoholfreie Kristallweizen bezwungen ist, geht es zurück auf das neongrüne 5000-Euro-Fahrrad. Sportsonnenbrille auf, und ab auf die Piste.
Übrigens: Nicht jeder Multifunktionskleidungs-Fan ist ein Triathlet. Häufig verbergen sich hinter Partnerlook-Neopren auch einfach deutsche Sonntagsfahrer, die einmal im Jahr den Drahtesel aus dem Keller holen und sich danach sieben Belohnungsbiere ins Regal stellen.
Die Tablettstemmer
Die Tablettstemmer erinnern an mittelalterliche Schenken. Denn dieser Biergartencharakter trägt 20 Literkrüge und genau so viele Eisbeine auf einem Eichenstamm. Meisterlich wird das schwere Tablett durch die Bierbankreihen jongliert, verschüttet wird dabei nichts. Selbstverständlich. Wenn jemand einen Rempelversuch wagt, gibt es einen gezielten Ellenbogenschlag. So präzise und schnell, sieht niemand. Am Tisch werden die Helden und die immer noch vollen Krüge mit einem vorfreudigen „Aaaaaaaaaaahhhh“ empfangen. Deutlich populärer ist jedoch die Spezies des Möchtegern-Tablettstemmers, der sich wahnsinnig überschätzt und unter 20 Literkrügen und Eisbeinen begraben seinem Schöpfer entgegen tritt.
Biergarten-Charaktere: Die Wespen
Tag gelaufen, ab nach Hause.
Weitere Charaktere, die ihr immer trefft
Nicht nur auf Konzerten gibt es interessante Charaktere, denen man andauernd über den Weg läuft. Klischees finden sich überall, und sicherlich habt ihr auch diese Figuren schon mal getroffen:
- Immer da: Berlins Kneipen-Charaktere von nervig bis liebenswert
- 12 Festival-Charaktere: Von Super-Fans bis Drogenopfer
- Konzert-Charaktere: Diese Klischees trefft ihr immer im Publikum
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Noch mehr Trinkkultur
Trotzdem Lust auf ein Bier? In diesen Biergärten stoßen wir besonders gerne an. Auf einer Terrasse über der Spree oder einer Piazza wie in Italien: Hier in Berlin trinken wir am liebsten unter freiem Himmel. Lieber in der Nähe von Wasser Drinks genießen? Hier sind Tipps. Den Blick schweifen lassen? Wir kennen gute Rooftop-Bars in Berlin. Geschmack und Handwerk: Diese Berliner Craftbier-Adressen haben es uns angetan. Und in diesen Berliner Weinbars zählen wir auf nette Gesellschaft und guten Geschmack. Noch mehr Inspiration liefert euch unsere Rubrik zu Essen und Trinken.