Legenden

Berühmtheiten aus Spandau: Vom Stadtrand in die Welt

Berühmtheiten aus Spandau schafften es vom Berliner Stadtrand auf die Bühnen, Leinwände und Tartanbahnen der Welt. Von italienischen Festungsbaumeistern, rasenden Reportern, singenden Kosaken, kleingärtnernden Nobelpreisträgern und der „besten Band der Welt“: Diese wichtigen Persönlichkeiten hat der westliche Berliner Bezirk hervorgebracht.


Berühmtheiten aus Spandau: Ulli Zelle

Seit Jahrzehnten flitzt Ulli Zelle als „rasender Reporter“ durch Berlin. Foto: Imago/eventfotografen.de

Ulli Zelle ist die Berliner Version von Karla Kolumna. Seit den Achtzigern düst der „rasende Reporter“ für den SFB (heute RBB) quer durch die Stadt. Bei Demonstrationen, Straßenfesten, Staatsbesuchen, Weihnachtsmärkten, Marathons, Partys, Mauerfällen: Ulli ist immer dabei. Seit jeher trägt er seinen lockeren Seitenscheitel und egal ob zwischen Demonstrationszügen am 1. Mai in Kreuzberg oder feiernden Ost-Berlinern am 9. November an der Bornholmer Straße steht halt Ulli Zelle mit seinem Mikrofon. Eine wahre Fernsehlegende, die sich weiterhin bescheiden als „kleinen Reporter bezeichnet“ und mit seiner Band Ulli und die grauen Zellen Rolling-Stones-Songs auf dem Spandauer Altstadtfest spielt. Mick Jagger und Co hat er ja auch schon interviewt. Natürlich. So wie Michail Gorbatschow und Helmut Kohl. An dem mittlerweile mehr als Siebzigjährigen kommt man nicht vorbei. Ulli Zelle lebt seit vielen Jahren im Spandauer Ortsteil Gatow.


Dr. Motte

Dr. Motte, Techno-Botschafter aus Spandau. Foto: S. Gabsch/Future Image

Der 1960 in Berlin-Spandau geborene Dr. Motte (bürgerlich Matthias Roeingh) tritt gerne ins Fettnäpfchen. So forderte der DJ und Loveparade-Co-Gründer – den Verdienst seiner damaligen Lebensgefährtin Danielle de Picciotto verschweigt er gerne mal – 2009 auf der Fuckparade das „Ende der schwulen Politik“ des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit. Nach Vorwürfen der Schwulenfeindlichlichkeit entschuldigte sich Herr Motte. 2011 soll er Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes als Blockwarte, eine Dienstbezeichnung innerhalb der NSDAP, bezeichnet haben. 2022 schwenkte er auf dem Loveparade-Nachfolger Rave the Planet das Symbol der verschwörungsideologischen rechten Bewegungen „Querdenken“ und „Freedom Parade“. Angeblich habe er nichts von der Bedeutung gewusst. Peinlich. Vielleicht hätte er nach den vielen legendären Loveparade-Jahren einfach für die Rente nach Spandau zurückkehren sollen.


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Berühmtheiten aus Spandau: Sıla Şahin-Radlinger

Sıla Şahin-Radlinger spielte bis 2014 die Hauptrolle in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Sie ist weiterhin regelmäßig im TV zu sehen. Foto: Imago/B. Insinger/Future Image

Die Schauspielerin Sıla Şahin-Radlinger wurde 1985 in Spandau geboren. Bekanntheit erlangte sie als langjährige Hauptdarstellerin in der Seifenoper „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Generell ist die Spandauerin nicht aus dem Fernsehen der Zehnerjahre wegzudenken. So sah man sie bei Dauerbrennern wie „Let’s Dance“, „Alarm für Cobra 11“ und der „Lindenstraße“. 2011 ließ sich Sıla Şahin-Radlinger als erste türkischstämmige Deutsche auf der Titelseite des „Playboys“ abbilden. Şahin bezeichnete die Aktfotos als „eine Befreiung von den kulturellen Zwängen der Kindheit“. Für die mutige Aktion erhielt sie leider nicht nur Zustimmung.


Ernst Ludwig Heim

Ernst Ludwig Heim lebte viele Jahre in Spandau und wurde als frecher Stadtphysikus zum Berliner Original. Foto: Imago/H. Tschanz-Hofmann

„Husten kommt entweder aus der Lunge, oder er kommt vom Saufen. Aus der Lunge kommt ihr Husten aber nicht“, soll Ernst Ludwig Heim zu einem Leutnant gesagt haben. Freche Sprüche machten den Arzt im späten 18. Jahrhundert zu einem Berliner Original. Der Stadtphysikus und spätere Kreisphysikus des Havellandes machte keinen Unterschiede zwischen Reich und Arm, sowohl im medizinischen als auch im privaten Umgang. 3000-4000 Patienten soll er jährlich in seiner Praxis am Gendarmenmarkt behandelt haben. Armen Patienten rechnete er nichts ab und erstatte ihnen oftmals sogar noch die Arzneikosten. Am Haus Reformationsplatz 2 in der Altstadt Spandau, dem ehemaligen Offiziantenhaus, erinnert eine Gedenktafel an Ernst Ludwig Heim, der hier seine Amtswohnung hatte. Weitere Berliner Originale stellen wir hier vor.


Berühmtheiten aus Spandau: Manuela

Mehr 60s geht nicht: Schlagerstar Manuela. Foto: Imago/Roba/Schweigmann/United Archives

Als Manuela machte die Weddingerin Doris Inge Wegener Schlagerkarriere. Sie wuchs in bescheidenen Verhältnissen in einem Acht-Personen-Haushalt auf. In den frühen 1960er-Jahren sang sie für 15 D-Mark in der Kneipe Ufer-Eck, wo sie vom Hansa-Produzenten Peter Meisel entdeckt wurde.  Mit „Schuld war nur der Bossa Nova“, der deutschen Version von „Blame It on the Bossa Nova“ von Eydie Gormé, gelang ihr 1963 ein Nummer-eins-Hit, der sich 20 Millionen mal verkaufte.

Mit ihrem frechen, amerikanisierten Gesangsstil schuf Manuela einen Trend und wurde zu einem Teenager-Idol. Fernsehauftritte und Tourneen durch die Welt (unter anderem in den USA und der DDR) folgten. Als 60s-Ikone entwarf sie auch Mini-Kleider, Hosenanzüge und Hot Pants. Obwohl sie auch in den darauffolgenden Jahrzehnten immer wieder Erfolge feierte, stand sie in den 1990er-Jahren, nach jahrelangen Fehlplanungen ihres Managers Werner Fey, ohne Vermögen da. Mit Auftritten bei Betriebs-, Volks- und Oldiefesten konnte sich Manuela gerade so über Wasser halten. Viele Jahre lebte der ehemalige Superstar zurückgezogen in Berlin-Kladow, dem südlichsten Ortsteil Spandaus. Am 13. Februar 2001 starb Manuela im Alter von 57 Jahren in Berlin. Sie wurde auf dem Martin-Luther-Friedhof in Tegel beigesetzt. In Kladow trägt eine Straße ihren Namen.


Bela B

Bela B präsentiert sein Buch „Scharnow“. Der Roman ist Spandau gewidmet. Foto: Imago/R. Murmann/Future Image

Darauf, dass ein Mitglied der „besten Band der Welt“ aus Spandau kommt, ist der Bezirk am Stadtrand besonders stolz. Alles begann in der 1971 gegründeten Rockdiscothek Ballhaus Spandau. Hier lernten sich Bela B und Farin Urlaub 1980 kennen. The rest is history: Auf die Geschichte der Ärzte blicken wir hier zurück. Die erfolgreichste Punkgruppe aus Berlin kommt eben nicht aus Kreuzberg, dem Heimatbezirk aller Hausbesetzer und Linksradikalen, sondern aus dem eher beschaulichen Spandau. 2022 kehrten Die Ärzte nach vier Jahrzehnten nach Spandau zurück. So spielten Bela, Farin und Rod ein Konzert in der Zitadelle. Auch 2023 sind Die Ärzte wieder live zu sehen. Übrigens: Bela Bs Debütroman „Scharnow“ spielt in einem skurrilen Dorf. Das Buch ist seinem Heimatbezirk gewidmet. Passt irgendwie.

Auch Hagen Liebing, zeitweise Ärzte-Bassist und tip-Musikredakteur auf Lebenszeit, wuchs in Spandau auf. Sein Freund und Mentor Wolfgang Doebeling erinnert sich an The Incredible Hagen.


Berühmtheiten aus Spandau: Albert Einstein

Der Nobelpreisträger Einstein verbrachte glückliche Jahre in seinem Kleingarten an der Scharfen Lanke. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Nur die Wenigsten wissen: Der große Albert Einstein war Kleingärtner. Anfang der 1920er-Jahre pachtete der Wissenschaftler und Nobelpreisträger mit seiner zweiten Frau Else eine Laube in der Kleingartensiedlung an der Scharfen Lanke. Hier, am Burgunderweg 3, erholte sich Einstein vom stressigen Alltag in Berlins Zentrum, spielte Violine und segelte mit seinem Boot über die Havel. Zeitzeugen berichteten, dass Einstein häufig am Stammtisch im Gartenlokal der Geschwister Feuerherd an der Boxfeldstraße saß.

Mit seinen beiden Söhnen verbrachte der Physiker den Sommer 1922 an der Scharfen Lanke. Er schrieb: „Die Buben sind da und hausen in meinem Spandauer Schloss. Ich pendle so hin und her zwischen der Stadtwohnung und dem Schloss, das sich im Gegensatz zu meiner Jolle als wasserdicht erweist.“ Ganz der perfekte Kleingärtner war Einstein aber dann doch nicht. Vom verordneten „Ackerbau und Viehzucht“, hielt er wenig, woraufhin das Bezirksamt Spandau preußisch korrekt eine Abmahnung an den Pächter schickte. Ja, die strengen Laubenregeln gelten auch für Nobelpreisträger. Später bezog Einstein mit seiner Frau ein Sommerhaus in Caputh bei Potsdam. heute eine Touri-Attraktion. An seine Spandauer Zeit erinnert eine bescheidene Gedenktafel. Weitere berühmte Brandenburger stellen wir hier vor.


Erna Sack

Die Spandauerin Erna Sack war eine weltberühmte Sopranistin und erreichte das viergestrichene „c“, einen extrem hohen Ton. Foto: Rüdiger Wölk

Die 1989 in Spandau geborene Erna Sack gehört zu den bedeutendsten deutschen Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde sie für extrem hohen Gesang. Mit ihrer Stimme erreichte Sack das viergestrichene „c“, was nur wenigen Künstlerinnen gelingt. Aus diesem Spektrum entsprang auch der Spitzname „Die europäische Nachtigall“. Nach ihrer Gesangsausbildung in Prag und Berlin wurde die Spandauer Berühmtheit 1928 als Elevin an die Staatsoper in Berlin verpflichtet, von hier an startete eine internationale Karriere. Erna Sack sang an so ziemlich allen bedeutenden Opern- und Konzerthäusern auf sechs Kontinenten. 1972 starb die große Sängerin während einer Krebs-Operation. Im Spandauer Ortsteil Staaken gibt es eine Erna-Sack-Straße.


Berühmtheiten aus Spandau: Graf Rochus zu Lynar

Büste für den berühmten Festungsbaumeister Graf Rochus zu Lynar in Lübbenau. Begraben ist er jedoch in Spandau. Foto: Imago/Schöning

Rochus Quirinus Graf zu Lynar war ein italienischer Festungsbaumeister und Militär. Im Sommer 1578 bezog er mit seiner Familie ein vom Kurfürsten geschenktes Wohnhaus in der Spandauer Innenstadt. Hier beaufsichtigte er den bereits begonnenen Ausbau der Zitadelle Spandau und entwarf neue Bauabschnitte. Seine Verdienste für die Festung lagen in der Erstellung einer strengen Bauordnung. 1580 wurde er durch den Kurfürsten zum Generalmajor und Geheimen Rat ernannt. Noch im selben Jahr wurde das Berliner Stadtschloss, auf dessen Geschichte wir hier zurückblicken, unter seiner Leitung erweitert.

Parallel leitete Lynar die Umbauarbeiten der Festung Peitz, die als Meisterwerk damaliger Festungsbaukunst bezeichnet wird. 1593 wurde der prägende Baumeister zum Amtshauptmann in Spandau ernannt. Als Geschenk an Spandau stiftete er den Altar der St.-Nikolai-Kirche in der Spandauer Altstadt, in der Graf Rochus zu Lynar bis heute begraben liegt. Heute gehört die Zitadelle Spandau zu den bedeutenden und besterhaltenen Festungen der Hochrenaissance in Europa.


Miriam Dattke

Miriam Dattke wuchs in Kladow auf. Bei der Europameisterschaft 2022 in München führte sie das deutsche Langstreckenlauf-Team zum Sieg. Foto: Imago/Eibner-Pressefoto/Beaut.Sports/Flatemarsch 

Eine Europameisterin aus Spandau: Miriam Dattke wuchs in Berlin-Kladow auf. Ihre sportliche Laufbahn startete sie 2012 nach einem Schullauf in der Leichtathletikabteilung des SC Brandenburgs in Charlottenburg. Inzwischen kann die junge Athletin auf viele Erfolge zurückblicken. Bei der U20-Europameisterschaft 2017 im italienischen Grosseto gewann Dattke die Goldmedaille in der Disziplin 5000-Meter-Lauf. Über 10.000-Meter holte sich die Spandauerin 2019 bei den U23-Europameisterschaft in Gävle mit persönlicher Bestzeit von 32:29,45 Minuten die Silber-Medaille. Bei der Heim-EM 2022 in München schaffte es die Spitzenläuferin mit dem Frauenteam sogar auf den ersten Platz. Gold für Miriam Dattke aus Kladow.


Berühmtheiten aus Spandau: Ivan Rebroff

Ivan Rebroff war eigentlich Spandauer und hieß Hans Rolf Rippert. Foto: Imago/Horst Galuschka

Ein mächtiger Vollbart, eine traditionelle russische Fellmütze, Folklorekluft und eine Stimme wie ein Donner: Ivan Rebroff ist die Verkörperung eines Kosaken – und das, obwohl der berühmte Sänger als Hans Rolf Rippert in Spandau geboren wurde. Nach seiner Gesangsausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik Hamburg, bei der Gesangslehrer Adolf Detel den jungen Rippert zum Interpreten osteuropäischen Liedguts ausbildete, trat er als Bass in verschiedenen Kosaken-Chören auf. 1960 gewann er beim 9. Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München den 1. Preis.

Weltweite Berühmtheit erlangte Rippert unter dem Synonym Ivan Rebroff durch die Rolle des Milchmanns Tevje im Musical „Anatevka“ im Théâtre Marigny auf den Pariser Champs-Élysées, wo er mehr als 1400 Vorstellungen gab. Hinzu kamen Fernsehauftritte und Konzerttourneen, bei denen er immer mit Vollbart, Fellmütze und traditioneller Kluft zu sehen war. 1985 erhielt Rebroff in Anerkennung seiner Leistungen für die Völkerverständigung zwischen Ost und West das Bundesverdienstkreuz. Weltweit verdiente sich die Spandauer Berühmtheit 49 Goldene Schallplatten und eine Platin-Schallplatte für 10 Millionen verkaufte Langspielplatten.


Reinhard Schult

Der in Spandau geborene Bürgerrechtler Reinhard Schult spricht in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg, 1988. Foto: Imago/epd

Der 1951 in Spandau geborene Bürgerrechtler und Politiker Reinhard Schult engagierte sich in der DDR-Widerstandsbewegung der 1980er-Jahre. Für seinen Einsatz im Friedenskreis Friedrichsfelde, in der Gruppe Gegenstimmen und der Kirche von wurde er vom Ministerium für Staatssicherheit zum „harten Kern“ seiner Gegner gezählt. 1979/80 verbüßte der Pazifist aufgrund von „Verbreitung illegaler Literatur“ eine achtmonatige Freiheitsstrafe. Im Herbst 1986 begann der illegale Piratensender Schwarzer Kanal sein Programm auszustrahlen, die Idee geht auf Reinhard Schult zurück. Hierfür schrieb er systemkritische Texte, die vom Dachboden eines grenznahen Hauses in West-Berlin gesendet wurden. Als Gründungsmitglied des Neues Forums vertrat er die Bürgerbewegung am Zentralen Runden Tisch und rief später zur Demonstration vor der Stasi-Zentrale auf, die in einer legendäre Hausbesetzung endete. Die Geschichte der Stasi-Zentrale erzählen wir hier. 1990 war Schult Abteilungsleiter im Staatlichen Komitee zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit und trug maßgeblich zur Aufarbeitung und Dokumentation der Verbrechen des DDR-Regimes bei.

Sein Leben lang engagierte sich der Bürgerrechtler beim Neuen Forum. Unter anderem im Berliner Abgeordnetenhaus. Bis zu seiner Verrentung arbeitete er bei der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg und beriet Opfer der SED in Rehabilitationsfragen. 2014 erhielt Reinhard Schult das Bundesverdienstkreuz.


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