Berlinale 2024

„Another End“ birgt jede Menge emotionalen Sprengstoff

Wenn es ein Genrefilm in den Wettbewerb eines A-Festivals wie der Berlinale schaffen will, dann muss er zumindest einen gewissen intellektuellen Dreh mitbringen. Den hat „Another End“, der Film des Sizilianers Pierro Messina, zweifelsohne: eine Was-wäre-wenn-Konstellation, die jede Menge emotionalen Sprengstoff birgt. tipBerlin-Kritiker Martin Schwarz hat die zurückhaltende Dystopie gesehen.

Italienisches Dystopie-Drama: „Another End“ läuft 2024 im Berlinale-Wettbewerb. Im Bild: Gael García Bernal. Foto: Matteo Casilli/Indigo Film

„Another End“ lässt Tote weiterleben – zumindest zeitweise

In einer betongrauen, sehr regnerischen Zukunft ist es – mit welcher Technik auch immer – möglich, das Bewusstsein und das Gedächtnis kürzlich Verstorbener vorübergehend in einen Wirt einzupflanzen, sein eigenes Ich wird in dieser Zeit sozusagen nach hinten geschoben. Nur gewisse Menschen sind mit einem anderen Bewusstsein kompatibel, und: Der sich in einem „Host“ befindliche Verstorbene darf auf keinen Fall erfahren, dass er tot ist – sonst bricht die Verbindung zusammen und das Gedächtnis des Toten ist für immer verloren. Auf diese Art will eine Hightech-Firma im Film „Another End“ den Hinterbliebenen die Gelegenheit geben, sich adäquat von den Verstorbenen zu verabschieden und so das Ableben eines geliebten Menschen besser zu verarbeiten.

Renate Reinsve, bekannt aus „Der schlimmste Mensch der Welt“, im Berlinale-Wettbewerbsfilm „Another End“. Foto: Kimberley Ross / Indigo Film

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Sal (Gael García Bernal) hat seine geliebte Zoe bei einem Unfall verloren und ist untröstlich. Auf Anraten seiner fürsorglichen Schwester Ebe (Bérénice Bejo), die bei der Hightechfirma arbeitet, willigt er ein, auf Zoe noch einmal im Körper einer anderen Frau zu treffen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft diese ungewöhnliche Beziehung so gut, dass Sal nicht bereit ist, endgültig Abschied zu nehmen. Durch Zufall begegnet er Ava (Renate Reinsve, „Der schlimmste Mensch der Welt“), die ihren Körper für Zoe zur Verfügung gestellt hatte. Er stellt einen Kontakt zu ihr her, die desillusionierte Frau arbeitet als Prostituierte.

Pierro Messinas Film „Another End“ hätte mehr Esprit gutgetan

Regisseur und Koautor Pierro Messina lässt für seinen dystopischen Film „Another End“ mit der langsamen Erzählweise sich und dem Zuschauer viel Zeit – der kann in Ruhe darüber nachsinnieren, welche vor allem emotionale Konsequenzen das kurzzeitige Weiterleben eines geliebten Menschen in einem anderen Körper hat. So stellt der Film Fragen nach Identität, Verlust und Trauer. Der in den frühen Nullerjahren mit Filmen wie „Amores Perros“ und „Die Reisen des jungen Che“ zum internationalen Star avancierte Mexikaner Gael García Bernal legt seinen Sal zu Beginn sehr zurückhaltend an – so zurückhaltend wie der ganze Film, dem etwas mehr Esprit gutgetan hätte, trotz des überraschenden Drehs gegen Ende. Eine faszinierende Idee steckt dennoch hinter dem ganzen Konstrukt.

  • Another End I 2024, 129 Min., R: Pierro Messina, D: Gael García Bernal, Renate Reineve, Bérénice Bejo u.a.

Bei der Berlinale 2024 spekulieren wir erneut: Das tipBerlin-Bärometer ist die Prognose für den Goldenen Bären. Im Fall von „Another End“ sehen wir nicht die besten Chancen: 40 Prozent. Gewonnen hat den Goldenen Bären dann am Ende der Dokumentarfilm „Dahomey“. Unsere Rezension zum Siegerfilm der Berlinale 2024.


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