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Alter Kiez, neuer Kiez

Umzug von Mainz nach Berlin: Tausche Weinschorle gegen Sekt-Mate

Unsere Autorin verließ die kleine Studentenstadt Mainz für die Metropole Berlin. Hier prägen Wohnungschaos und zahlreiche Zwischenmieten das Leben. Aber einen besseren Ort kann sie sich trotzdem nicht vorstellen.  

Umzug von Mainz nach Berlin: Das Mainzer Marktfrühstück. Foto: Imago/Rau

Von Mainz nach Berlin, von Zwischenmieten-Chaos zum neuen Zuhause

Während meines Studiums wohnte ich in der Studentenstadt Mainz – direkt am Rhein, bekannt für die Fastnachtskultur, das ZDF mit den Mainzelmännchen und das Marktfrühstück am Mainzer Dom. Wobei letzteres vielleicht falsch verstanden werden könnte, denn ja, es gibt einen Markt mit leckerem regionalen Obst und Gemüse, doch wird sich hier vor allem getroffen, um an sonnigen Samstagen viele Liter Weinschorle zu trinken. Auch direkt eine der ersten Dinge, die ich in Berlin lernen musste: Weinschorle in der Pfalz ist etwas komplett anderes als eine Weinschorle in Berlin. Außerdem schmeckt die Weinschorle auf einem Weinfest im Sommer am Rhein auch viel besser – hier dann doch lieber schnell zum Späti an der Ecke und Sekt-Mate. 

Überzeugt hat mich Mainz aber am meisten wegen der vielen freundlichen Menschen, der optimalen Lage zwischen Frankfurt und Wiesbaden und dem kurzen Weg zur Universität. Apropos kurze Wege – in Mainz wohnte ich zentral in der Mainzer-Neustadt, zwischen coolen Bars, süßen (veganen) Cafés, ein bisschen bunt und chaotisch – und sogar Spätis gab‘s, heißen hier halt: Kiosk. Vielleicht ein ganz kleines bisschen, wie wenn man Kreuzberg mit dem Prenzlauer Berg mischen würde. Wenn ich Freund:innen, die in anderen Stadtteilen wohnten besuchte, kamen mir diese zehn bis 15 Minuten mit der Bahn wie eine halbe Weltreise vor. Hier in Berlin fahre ich gut und gerne 45 Minuten, bloß um mich mit einer Freundin auf einen Kaffee zu treffen. 

Wenn ich Freund:innen in Mainz treffe, gibt es zwei Orte: am Rhein zum Spazieren, picknicken, in der Sonne liegen oder in der Stadt in einer der Bars, zum Essen gehen oder schlendern. Bei meiner Ankunft in Berlin lernte ich schnell, dass der Satz: „Lass in der Stadt treffen“ vor allem zu Verwirrung führt und es keine wirkliche Stadtmitte gibt. Die Vielfalt der verschiedenen Kieze lernte ich eh ganz schnell zu lieben. 

Aber all das sind nur ganz allgemeine Erfahrungen – so wie es eben vieles gibt, an das man sich als Zugezogene erst einmal gewöhnen muss. Einmal hier, merkt man schnell, dass kein Kiez dem anderen gleicht. Und so zeichnet sich mein erstes Jahr in Berlin vor allem durchs „Zwischenmietenhopping“ aus: durch die verschiedensten Bezirke und Wohnsituationen. 

Ankunft im wilden Wedding

So sehr ich Mainz in mein Herz geschlossen habe, zog es mich doch woanders hin, und als ich die Zusage für einen Praktikumsplatz in Berlin bekommen hatte, wusste ich ehrlicherweise nicht wirklich was mich erwartet. Oder in welchen Kiez man ziehen sollte. Oder wie die Mietpreise in Berlin sind. Glücklicherweise plante ich, nur sechs Monate in Berlin zu wohnen, und Zwischenmieten lassen sich dann doch immer irgendwie finden. Und so bekam ich eine Zusage für ein WG-Zimmer im Wedding, gut angebunden an die U8 und mit der Anmerkung der Vermieterin, dass ich doch „keinen Kulturschock bekommen solle“. Den bekam ich nicht. Tatsächlich mochte ich die Lage, die große Auswahl an Spätis und Falafel-Läden, und dass man zu jeder Tag und- Nachtzeit nach Hause kommen konnte und auf der Straße immer was los war. Unter anderem eben auch einige Razzien und Polizeikontrollen, die mich letztendlich dann auch dazu anregten, meine Bachelorarbeit über die „arabische Clanszene“ in Berlin und die (vorurteilsbelastete) Berichterstattung zu schreiben. Das Einzige, was ich doch als störend empfand war meine Wohnsituation. Die Vermieterin hatte nämlich vergessen zu erwähnen, dass es keine Heizung gab – und das im Winter. 

Umzug von Mainz nach Berlin: Pankstraße im Wedding. Foto: Imago/Hohlfeld

Viel Zeit in der Wohnung verbrachte ich sowieso nicht, dafür jedoch anfänglich viel Zeit in der U8 – die ersten sechs Monate bestand mein täglicher Weg zur Arbeit nämlich zwischen der Pankstraße und dem Kotti – und darüber könnte ich wahrscheinlich einen eigenen Bericht schreiben. Mir wurde aber gesagt, dass das die „volle Dosis Berlin“ sei, und ich fühlte mich pudelwohl. 

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Moabit und der Traum einer Altbauwohnung 

Nachdem ich dachte, sechs Monate Berlin reichen mir, kehrte ich nach einem halben Jahr in Mainz und mit Studienabschluss wieder zurück nach Berlin. Einmal in die Großstadt gezogen, kam mir das Leben in Mainz ab und an dann doch langweilig vor. Ich vermisste nicht nur die riesige Auswahl an Spätis, Kulinarik, Clubs und Kultur, sondern auch die Menschen und deren Toleranz und Offenheit in vielen Bereichen.

So landete ich dieses Mal in Moabit – mein neuer Kiez sagte mir nichts, jedoch grenzt die Gegend an den Wedding an, und das hatte mich dann schon überzeugt. Und dort lebte ich den Berlin-Traum: Altbau, hohe Decken mit Stuck, klasse Lage und tolle Mitbewohnerinnen. Einmal um die Ecke erreichte man die Turmstraße mit etlichen Spätis, Einkaufsmöglichkeiten, Kneipen und dem trubeligen Leben. Außerdem war man schnell an der Spree oder dem Plötzensee – quasi die perfekte Unterkunft für den Sommer. Nach meiner kurzen Abwesenheit empfing mich Berlin mit so offenen Armen, dass die Entscheidung leicht fiel: Hier fühlte ich mich zuhause und hier wollte ich erst einmal bleiben! Und auch in Moabit hätte ich gern länger gelebt, die Wohnung war aber schon weiterverkauft worden. Und so ging meine Reise nach einem wilden Sommer weiter und führte mich in das entspanntere Friedenau. 

Umzug von Mainz nach Berlin: Die Turmstraße in Moabit. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Ab nach Friedenau, da ist die Welt noch in Ordnung!

Ich war skeptisch. Denn die Lage direkt am Walther-Schreiber-Platz überzeugte mich nicht wirklich. Regelmäßig erzählte ich der Einfachheit halber, ich würde in Schöneberg wohnen, da ich dachte, niemand würde Friedenau kennen. Anfänglich empfand ich den nächtlichen Heimweg sogar als gruselig, weil die Straßen dort nachts ausgestorben scheinen. Doch dann lernte ich es ziemlich schnell lieben. Es war ruhiger und grüner – man konnte sein Fahrrad nachts sogar vor der Tür abschließen.

Wollte man mehr Trubel, war man schnell auf der Schloßstraße mit ihren vielen Geschäften, und durch die Anbindung zur U- und S-Bahn auch schnell überall. Und wie es wohl immer so ist: Man vermisst Dinge erst, wenn sie nicht mehr da sind. Der Gedanke, in einigen Wochen mein großes, schönes Zimmer in der ruhigen Seitenstraße fußläufig zur U-Bahn-Station gegen das Ungewisse austauschen zu müssen, bereitet mir doch ein paar Sorgen. Aber nicht genug, um Berlin wieder zu verlassen.

Erst von Mainz nach Berlin, und dann von Zwischenmiete zu Zwischenmiete: Friedenau ist ruhig und grün im Vergleich zum Wedding. Foto: Imago/Schöning.

WG gesucht, im Ring und am liebsten unbefristet 

Vergeblich wartet man auf ein Happy End. Denn nach der Zeit in Friedenau erwartet mich erneut eine ungewisse Wohnsituation. Nebenberuflich schreibe ich seit ein paar Wochen wieder Bewerbungsschreiben auf WG-Zimmer und möchte doch nur irgendwo ankommen. Dabei habe ich auch sicherlich nicht zu große Ansprüche, und von verrückten und teils absurden WG-Inseraten kann ich mittlerweile ein Lied singen. Bezahlbarer Wohnraum, am liebsten im Ring, nette Mitbewohner:innen und ein unbefristeter (!) Mietvertrag – das wollen etliche andere auch. 

Missen möchte ich die Wohnsituationen, die verschiedenen Einblicke in die Kieze und die Menschen, mit denen ich zusammenwohnen durfte, aber nicht. Denn Berlin hat mich sowieso schon überzeugt – das Angebot an Ausstellungen und Museen, Sommer in Berlin, die ein oder andere Party und vor allem natürlich die Menschen. Und trotz chaotischem Wohnungsmarkt und allerlei wilder Berlinerfahrungen, hat die Stadt mein Herz erobert und ich kann mir nicht vorstellen, anderswo zu wohnen.


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Doch nicht nur die Autorin hat Berlin lieben gelernt, hier findet ihr Dinge, die Zugezogene an Berlin sofort lieben lernen. Manches war eben früher anders: Diese Berlin-Erfahrungen machen Zugezogene heute wahrscheinlich nicht mehr. Weitere Umzugsgeschichten findet ihr hier über den Umzug von Flensburg nach Berlin oder vom Schwabenland in die Hauptstadt. Auch Geschichten über Umzüge zwischen den Berliner Kiezen gibt es hier unter anderem von Neukölln nach Moabit. Ansonsten lest ihr hier mehr über Berlins Stadtleben.

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