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Abgeordnetenhauswahl

Klaus Lederer (Die Linke) im Interview: „Klar gibt es Hoffnung auf einen Mietendeckel!“

„Als Spitzenkandidat meiner Partei spiele ich natürlich nicht auf Platz“, sagt Klaus Lederer. Wir sprachen mit dem amtierenden Kultursenator und Spitzenkandidaten der Linken bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 über die Berliner Kulturszene, explodierende Mieten, die Vision einer autofreien Stadt, Klimaneutralität, Clubs und die Frage, was er als Regierender Bürgermeister von Berlin tun würde, sollten sich die Berliner:innen für die Enteignung von Deutschen Wohnen & Co. entscheiden.

Spitzenkandidat für das Abgeordnetenhaus: Klaus Lederer (Die Linke). Foto: Imago/Emmanuele Contini
Klaus Lederer (Die Linke) ist Spitzenkandidat für das Abgeordnetenhaus. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Klaus Lederer (Die Linke) ist einer der beliebtesten Politiker in Berlin. Er wurde 1974 in Schwerin geboren, wuchs in Frankfurt (Oder) auf und lebt seit 1988 in Berlin. Lederer studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt Universität und promovierte 2004 zum Thema „Privatisierung im Wassersektor“. Bereits 1992 trat er der PDS bei, 2007 wurde er zum Landesvorsitzenden des neu gegründeten Berliner Landesverbandes der Partei Die Linke gewählt. 2016 übernahm er das Amt des Kultur- und Europasenators in dem von Michael Müller (SPD) geführten rot-rot-grünen Senat. 2021 ist Klaus Lederer Spitzenkandidat seiner Partei und bewirbt sich für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.

tipBerlin Herr Lederer, Sie sind Kultursenator und kandidieren nun für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin. Reicht Ihnen die Kultur nicht?

Klaus Lederer Als Spitzenkandidat meiner Partei spiele ich natürlich nicht auf Platz, sondern auf Sieg. Kultursenator ist trotzdem ein herrlicher Job, der mich komplett ausgefüllt hat. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren viel erreicht, gerade im Hinblick auf Teilhabe an Kultur für alle Menschen – auch ohne dicken Geldbeutel. Als Regierender Bürgermeister will ich auch in den anderen Bereichen weiter daran arbeiten, die Stadt für alle zu gestalten.

Klaus Lederer: „Viele Menschen in Berlin haben Angst, ihr Zuhause zu verlieren“

tipBerlin Sollten Sie gewählt werden, welche Probleme würden Sie als erstes angehen, welche Reformen umsetzen?

Klaus Lederer Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit und viele Menschen in Berlin haben Angst, ihr Zuhause zu verlieren. Dafür zu sorgen, dass die Menschen bezahlbare Wohnungen finden und nicht aus ihnen verdrängt werden, steht deshalb ganz oben auf meiner Liste. Aber bei dem Thema ist auch klar, dass es sich nicht innerhalb von ein paar Tagen lösen lässt. Unser Ziel ist es, den Bestand an gemeinwohlorientiertem, leistbarem Wohnraum auf mindestens 50 Prozent aller Mietwohnungen auszubauen. Um der Spekulation mit Wohnraum etwas entgegenzusetzen, werden wir weiter möglichst viele Wohnungen in die öffentliche Hand bringen, durch Ankauf, Vorkaufsrecht und im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides auch durch Vergesellschaftung. Es muss natürlich auch weiter neu gebaut werden – aber eben bezahlbar! Wir streben etwa 19.000 neue Wohnungen pro Jahr an und wollen den Anteil der Wohnungen für Durchschnittsverdiener dabei nochmal erhöhen.

tipBerlin Würde es nach Ihnen gehen, müssten wir uns in Zukunft auf eine autofreie Stadt gefasst machen?

Klaus Lederer Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass tatsächlich nur noch diejenigen ein Auto benutzen, die wirklich darauf angewiesen sind; wie beispielsweise Pflegedienste, Handwerker:innen oder Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Grundlage dafür ist, dass der öffentliche Nahverkehr so gut ausgebaut wird, dass auch die Krankenschwester aus Hellersdorf nachts um drei zuverlässig mit dem ÖPNV zur Arbeit kommt. Und natürlich muss auch der Ausbau der Fahrradinfrastruktur weiter vorangetrieben werden. 

Wahlwerbung für Die Linke und den Spitzenkandidaten Klaus Lederer. Foto: Imago/Stefan Zeitz
Wahlwerbung für Die Linke und den Spitzenkandidaten Klaus Lederer. Foto: Imago/Stefan Zeitz

tipBerlin Was müsste sich sonst noch ändern, damit Berlin dem Ziel Klimaneutralität näherkommt?

Klaus Lederer Berlin soll bis 2040 klimaneutral werden. Neben einer ökologischen Verkehrswende braucht es dafür auch eine Vielzahl an Maßnahmen im Energiebereich und bei der energetischen Sanierung. Wir haben in dieser Wahlperiode noch einen massiven Ausbau der Solarenergie sowohl auf Dächern von städtischen als auch privaten Gebäuden beschlossen. Das muss konsequent umgesetzt werden, zudem wollen wir ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Der Kohleausstieg muss schneller gehen, deshalb wollen wir das Kraftwerk Moabit spätestens 2025 und Reuter-West spätestens 2028 abschalten. Die Stadt muss aber auch auf die konkreten Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet werden. Dazu gehört, Grünflächen, Parks und Wälder noch besser zu pflegen, dauerhaft zu schützen und möglichst neue Freiflächen zu schaffen. Selbstverständlich ist, dass das Tempelhofer Feld und die Kleingartenanlagen der Stadt nicht zugebaut werden. Sie bilden bei Hitze wichtige Kaltluftschneisen und Regen kann dort versickern. Das ganze Thema ist für uns übrigens auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

tipBerlin Wie würden Sie dem Wohnungsproblem und den explodierenden Mieten entgegnen, gibt es doch noch Hoffnung auf einen Mietendeckel?

Klaus Lederer Klar gibt es Hoffnung auf einen Mietendeckel – aber dafür muss jetzt auf Bundesebene gehandelt werden. Der Berliner Senat hat schon eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, um zu erreichen, dass der Bund es den Ländern mit angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin ermöglicht, die Mieten zu deckeln. Damit das beschlossen und vom Bund auch umgesetzt wird, müssen sich die politischen Mehrheiten ändern. Mit CDU oder FDP wird kein Mietendeckel zu machen sein.

„Die Linke und ich unterstützen das Volksbegehren“

tipBerlin Was würden Sie tun, sollte der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ erfolgreich sein?

Klaus Lederer Die Umsetzung des Volksentscheides auf den Weg zu bringen und ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten zu lassen, ist eine Priorität. Die Linke und ich unterstützen das Volksbegehren. Die Vergesellschaftung ist eine weitere Möglichkeit, steuernd in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Aber auch ganz generell gilt: Volksentscheide müssen ernst genommen werden und der Senat muss alles dafür tun, sie umzusetzen. Das ist für mich eine demokratische Selbstverständlichkeit und nicht etwa Verhandlungsmasse für die Koalitionsverhandlungen. Dass das nicht einfach wird, ist klar, denn der Weg der Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes ist bislang noch nicht gegangen worden. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid werden wir uns deshalb mit klugen Jurist:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft zusammensetzen, um ein Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten.

tipBerlin Würden Sie sich als Regierender Bürgermeister weiterhin um die Kultur kümmern, so wie es einst auch Klaus Wowereit getan hat?

Klaus Lederer Bei meinem Amtsantritt habe ich gesagt, dass ich froh bin, dass Kultur wieder ein eigenständiges Ressort ist. In dieser Stadt mit seiner vielfältigen Kulturlandschaft ist das eine Schwerpunktaufgabe und braucht entsprechende Ressourcen. Ansonsten gilt, dass ich über Ressortverteilung erst in möglichen Koalitionsgesprächen rede. Unabhängig von dieser Frage sind mir Kulturthemen natürlich auch weiter eine Herzensangelegenheit.

Wahlkampf 2021 – Klaus Lederer besucht das Gelände des Veranstaltungsorts Revier Südost in Oberschöneweide. Foto: Imago/Emmanuele Contini
Wahlkampf 2021 – Klaus Lederer besucht das Gelände des Veranstaltungsorts Revier Südost in Oberschöneweide. Foto: Imago/Emmanuele Contini

tipBerlin Was würde in der Berliner Kultur dann anders werden?

Klaus Lederer Die Anzeige von mehr als 100 Künstler:innen zu meiner Unterstützung vor ein paar Tagen hat mich sehr gerührt. Ich habe also anscheinend bislang nicht alles falsch gemacht! Aber im Ernst: Der Fokus meiner Amtszeit lag sehr darauf, Zugänge zur Kultur und Teilhabe für alle in der ganzen Stadt zu schaffen. Dazu gehören kulturelle Angebote in der Breite, in den Kiezen vor Ort und eine starke bezirkliche Kulturarbeit; mehr kulturelle Bildung für die Jüngsten und vieles mehr. Mit Tarifsteigerungen und Mindesthonoraren für Künstler:innen gehen wir gegen prekäre Beschäftigung im Kulturbereich vor. Ein weiterer Schwerpunkt ist, Räume für Kultur und Ateliers für Kulturschaffende zu sichern und auszubauen. Das alles halte ich für richtig und will diesen Weg gern weitergehen.

„Clubs gehören zu Berlin, sind Freiräume und oft auch Rückzugsräume“

tipBerlin Würde die Clubkultur einen besonderen Stellenwert in Ihrer Politik bekommen?

Klaus Lederer Den hat die Clubkultur bereits! Clubs gehören zu Berlin, sind Freiräume und oft auch Rückzugsräume, zum Beispiel für die queere Community. Das größte Problem sind die rasant und unreguliert steigenden Gewerbemieten. Wir erleben es ja gerade, dass ein Club nach dem anderen aus seiner Location fliegt. Für Gewerbemietrecht ist aber der Bund zuständig – da muss jetzt ganz dringend was passieren. Wenn ich als Regierender Bürgermeister das Land vertreten dürfte, würde ich das vehement einfordern. In Berlin haben wir in den vergangenen Jahren auch schon einige Verbesserungen erreicht, damit Clubs bleiben können. Clubs können jetzt Zuschüsse für Lärmschutzmaßnahmen bekommen und sie werden als Kulturstätten anerkannt. Die Corona-Pandemie war eine sehr, sehr harte Zeit, für die Clubs. Ich habe mit aller Kraft versucht, die Clubs mit Soforthilfen zu unterstützen und coronabedingte Pleiten zu verhindern. Es haben mit dem Zenner und dem Hole 44 mit unserer Unterstützung sogar zwei neue Club- und Kulturorte eröffnet!

tipBerlin Zum Schluss, wie kann sich Berlin angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie in Zukunft besser auf solche Situationen vorbereiten?

Klaus Lederer Die Corona-Pandemie hat nochmal klar gemacht, wie wichtig eine starke und funktionierende öffentliche Infrastruktur ist – insbesondere für Menschen mit wenig Geld. Das gilt vor allem für den Pflege- und Gesundheitsbereich. Um den Personalmangel in den Kliniken, aber auch im öffentlichen Gesundheitsdienst zu beheben, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und Gehälter erhöht werden. Das kostet natürlich Geld. Das gilt auch für viele andere Bereiche wie beispielsweise Digitalisierung, in die weiter investiert werden muss. Das hängt also immer auch mit der Frage zusammen, wer am Ende für die Kosten der Krise aufkommt. Für mich ist klar, dass man nicht durch Einsparmaßnahmen diejenigen noch mehr belasten darf, die sowieso schon wenig haben. Statt zu sparen bis es quietscht, wollen wir investieren bis es läuft. Um das zu bezahlen, braucht es eine beherzte Besteuerung großer Vermögen. Die Linke tritt deshalb auf Bundesebene für eine einmalige Vermögensabgabe und die Einführung einer Millionärssteuer ein.


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