Aus dem Programm der ersten Woche empfiehlt der tip Filme von Clarissa Thieme, Laura Horelli und Clemens von Wedemeyer
Was bleibt (Clarissa Thieme, 2009)
Fünfzehn Jahre nach dem Krieg fährt Clarissa Thieme nach Bosnien Herzegovina. Sie fragt sich, „ob man Abwesenheit sehen kann“. Welche Abwesenheit? Man könnte vermuten, sie meint das Leben, wie es vor dem Krieg war. Ihr Film besteht aus sorgfältig komponierten Einstellungen, in denen Bilder aus dem Land zu sehen sind: ein Haus (eine Ruine?) wird abgetragen, zwei Buben spielen einander auf einem Rasen einen Ball zu, ein Mann pflegt einen Garten. Bewegung in den Bildern ist die Ausnahme, die Kamera bleibt ruhig, so entsteht eine Spannung zwischen Moment und Dauer, auf den man die Frage nach der Abwesenheit beziehen kann. Ein Insert am Ende des Films gibt eine konkrete (historische) „Auflösung“ für diese Frage, die aber keineswegs die einzige sein muss.
Namibia Today (Laura Horelli, 2018)
In dem U-Bahnhof Schillingstraße in Berlin hängen an den Wänden Plakate, die an ein Kapitel der Außenpolitik der DDR erinnern: die Solidarität mit dem Befreiungskampf in Namibia. Laura Horelli zeigt Dokumente aus dieser Zeit (vor allem Ausgaben der Zeitschrift Namibia Today, die 1980 bis 1985 in Erfurt gedruckt wurde), und lässt Menschen zu Wort kommen, die damals involviert waren. In Namibia hat Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Völkermord verbrochen. Auch das gehört zu den „Aushandlungen der Vergangenheit“, auf die Horelli abzielt. Der öffentliche Ort dient ihr als Umschlagplatz nicht nur für Kunst im Untergrund, sondern auch für Geschichtsbilder im Lauf der Zeit.
Transformation Scenario (Clemens von Wedemeyer, 2018)
Ein Mann und eine Frau sprechen über eine künftige Gesellschaft, in der Menschen nicht mehr eindeutig von Agenten unterscheidbar sein könnten, von Versionen ihrer selbst, die aus Daten errechnet wurden. Die Daten können vielerlei Quellen haben: Massenszenen aus Filmen (zitiert werden unter anderem Woodstock und Medium Cool), Aufnahmen von öffentlichen Räumen, jedes Youtube-Video kann interessant sein. Jegliches inviduelleVerhalten läuft auf Modelle hinaus, die Modelle werden dann wieder laufend „individualisiert“. Werden wir so alle zu Komparsen in einem Film, in dem wir nichts zu sagen haben? Eine Reflexion über die Grenzen des spezifisch Menschlichen in einer Gesellschaft radikaler Erfassung und Simulation.
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