Das Leben ist kein Teddy-Hof: Der 34. Teddy Award, der wohl wichtigste queere Filmpreis der Welt, wurde am Wochenende in der Volksbühne verliehen. Das ist auch politisch wichtig
In den letzten Tagen sei genug geschwiegen worden, meint Teddy-Moderatorin Annie Heger am Freitagabend, angesichts der rassistischen Morde in Hanau. Statt einer weiteren, folgenlosen Schweigeminute, fordert sie das Publikum der Volksbühne zum Schreien auf. Eine Minute lang. Tenor: Schluss mit dem rechten Hass, wir wollen das in Deutschland nicht (wieder)! Die gut 800 Leute im Saal stehen auf und werden laut.
Teddy Award mit Schreiminute: Immer noch kein Wohlfühl-Event
Der Teddy Award, es zeigt sich schon früh bei dieser Schreiminute, ist ein politischer Abend – und ist in all den Jahren seit der ersten Preisverleihung 1987 keineswegs zum saturierten Wohlfühl-Event geworden. Das machen auch die prämierten Filme deutlich: „Futur Drei“ gewinnt in der Kategorie bester Spielfilm. Der Film ist genau der richtige Film zur richtigen Zeit! Aber er überzeugt auch ästhetisch auf ganzer Linie, mit vielen liebevollen Details.
Es geht in „Futur Drei“ um Parvis, einen jungen Mann in Hildesheim, dessen Eltern einst aus dem Iran nach Deutschland zogen. Parvis lernt beim Sozialdienst zwei geflüchtete Geschwister kennen – und verliebt sich in den Bruder. Zusammen erleben sie einen bittersüßen Sommer. Heitere Ausgelassenheit wechselt mit der Angst vor Abschiebung und Momenten von (mehr oder weniger latentem) Rassismus, der alle drei daran zweifeln lässt, wie willkommen sie hier wirklich sind in Deutschland. Eine Szene spielt in einer Shisha-Bar. Man guckt sie heute nochmal beklemmend anders. Herzlichen Glückwunsch an Regisseur Faraz Shariat, Jahrgang 1994, und sein Kollektiv namens Jünglinge, mit dem er diesen beeindruckenden, eindringlichen Debüt-Langfilm verwirklicht hat. Am 28. Mai kommt er regulär ins Kino.
Queere Stoffe sind in den Massenmedien keineswegs angekommen
Es gibt da ein großes Missverständnis: Leicht verbreitet sich inzwischen der Fehlglaube, queere Stoffe seien in den Massenmedien angemessen angekommen. Schnell fallen einem die Oscar-Gewinner „Call Me By Your Name“ und „Moonlight“ ein – und die tollen Streamingserien „Pose“, „Transparent“ und „Sex Education“. Dann ist aber schnell schon Schluss. Die Malisa-Studie kam 2017 in einem Prä-Test zum Ergebnis, dass queere Stoffe im deutschen Fernsehen und Kino weniger als 0,2 Prozent ausmachen – also so sehr unter dem Radar, dass man sie statistisch kaum erfassen kann. Das steht in einem peinlichen Verhältnis zu der Tatsache, dass rund zehn Prozent der Menschen queer, also nicht-hetero und/oder trans oder intersexuell sind. Peinlich für die Filmförderung und die Senderedaktionen, dass sie die Lebensrealität all dieser Menschen für nicht-erzählenswert befinden.
Teddy: Activist-Award für Film über Folter und Lagerhaft
Erstmals hat der Teddy dieses Jahr auch einen Activist Award vergeben – an eine Gruppe von Aktivist*innen „die unter Gefahr für das eigene Leben mit beispiellosem Einsatz mutig und entschlossen verfolgte Homo- und Transsexuelle in Tschetschenien vor Lagerhaft, Folter und Mord retten und in Sicherheit bringen“, wie das Teddy-Team verkündet. Seit 2017 wurden in Tschetschenien nämlich Queers inhaftiert und in Lager gebracht. Ein Thema, das hierzulande in der Presse etwas unterging. Dokumentiert ist die Arbeit besagter Queer-Aktivist*innen im Film „Welcome To Chechnya”, der auf der Berlinale in der Panorama-Sektion internationale Premiere hatte.
Tschetschenien ist für viele in Berlin vielleicht gefühlt weit weg. Doch auch in unserem Nachbarland Polen, keine 100 Kilometer von Berlin entfernt, haben sich in den letzten Monaten rund 90 Landkreise und Gemeinden offiziell zu LGBT-freien Zonen erklärt. Das klingt nach Progrom. Dass wir in Berlin den größten queeren Filmpreis der Welt zelebrieren können, ist nicht länger selbstverständlich. Wir müssen was tun, damit es so bleibt.
„Futur Drei“ bei Mongay: Mo 2.3., 22 Uhr, Kino International, Karl-Marx-Allee 33, Friedrichshain, Mitte, 9 €
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